Landschaftszerschneidung durch Tourismus? Automobilsommer 2011

Das Wirtschaftministerium, die TMBW und die Tourismusbranche blasen unisono ins Horn und feiern den 125. Geburtstag des Verbrennungsmotors. Reinhold Pix moniert: “Statt rückwärtsgewandter Nostalgie sollten das Wirtschafts- und das Umweltministerium endlich die Ausgestaltung ökologisch vertretbarer Verkehrskonzepte in Angriff nehmen.“ Der Flora, Fauna und dem Tourismus im Land erweist Wirtschaftsminister Pfister einen Bärendienst durch die Zerschneidung der Lebensräume für den Individualverkehr. Reinhold Pix hat die Argumente zusammengetragen.

Wie wollen wir mit „Auto-Mobilität“ umgehen? Eine Bestandsaufnahme

Für unsere Mobilität verbrauchen wir knappe Ressourcen, und dies sowohl in der Produktion der Fahrzeuge als auch im Betrieb.Unsere Mobilität hat hohe Umweltbelastungen zur Folge: Landschaftszerschneidung und CO2-Emissionen.

 Zwischen 1998 und 2007, also in 10 Jahren, stieg die globale PKW-Produktion um 40 %. Wir Grünen sind nicht gegen Mobilität- und auch nicht gegen Automobilität. Aber wir wollen einen anderen Umgang damit, einen, der nicht das Klima, die Naturräume und den ÖPNV in den Straßengraben abdrängt.

17 % der globalen CO2-Emissionen entstehen durch den Straßenverkehr, innerhalb der EU lassen sich sogar 26 % der CO2-Emissionen auf den Verkehr zurückführen. Die Nachfrage nach Öl steigt, die günstig zu erschließenden Vorkommen nehmen ab. Und noch immer fahren 98 % der PKW in Europa mit Kraftstoffen auf Erdölbasis.

Die Automobilbranche, also die Herstellung von Kraftfahrzeugen und –teilen, nimmt in der offiziellen Wirtschaftsstatistik des Landes nur Rang 5 ein (nach Gesundheitswesen, unternehmensnahen Dienstleistungen, Maschinenbau und Einzelhandel). Die Branche stellt 240.000 sozialversicherungspflichtige Beschäftigte und erwirtschaftet 6,5 % unserer Wirtschaftsleistung. Das mag sich gering anhören, ist es aber nicht.

Die starke Exportorientierung prägt den Wirtschaftstandort Baden-Württemberg. Allein in BW finden sich 3 der 4 deutschen Premiummarken: Daimler, Porsche, Audi (nicht BMW). Von der Klimakrise sind sie besonders hart betroffen und müssen sich daher dringendst an den Produktionsumbau machen.       

Wir müssen umlenken!

Was wir nicht wollen

Wir können uns nicht auf den Erfolgen ausruhen. Wir können aber daran anknüpfen und auf dem Erreichten aufbauen. Das wollen wir.

Wir haben uns nicht gegen den Automobilsommer gestellt. Im Landes-Tourismusbei­rat habe ich meine Position klar zum Ausdruck gebracht: Umdenken und umlenken anstoßen – statt Selbstinszenierung. Dazu hätte der Automobilsommer die Gelegenheit geboten. Wir stellen uns nicht gegen den Wirtschaftsfaktor Automobilindustrie, aber wir müssen uns wandeln vom Autoländle zum ökologischen High-Tech-Land.

Und das erreichen wir nicht mit einer Veranstaltung, in der sich alles um die `Ikone Auto´ dreht, in der der „weltweite Glanz und die weltweite Ausstrahlung der Marken Mercedes und Porsche“ zelebriert werden. Wir holen jede Menge weiteren Autoverkehr ins Land, sei es durch die Oldtimertouren oder die PS-beton­ten Autoschauen.

Welches Image verpassen wir hier dem Land? Das Land der unbegrenzten Auto-Kilometer? Mit genügend Flächen für Fahrten ins Grüne, ins Blaue, ohne Anschlag für den Tacho? Das Auto als Kultfigur?

Im Programm fehlt der nachhaltige Effekt der Großveranstaltung. Aus diesem Grund hatten wir in den Haushaltsberatungen des Landes eine Streichung der Zuschüsse beantragt. Wir sind nicht dagegen, wenn die Autoindustrie ihre Erfolge feiert. Dies mit Landesmitteln zu unterstüt­zen, halten wir dagegen allerdings für nicht vertretbar. Mit öffentlichen Gel­dern ein Event zu fördern, bei dem es darum geht, ein dringend sanierungsbedürftiges Markt­produkt aufs Schild zu heben, halten wir für das falsche Signal in dieser Zeit.

Wohin wir wollen

Dazu gehören zwei Aspekte: die Autoindustrie und der Tourismus im Land.

Autoindustrie

Wir meinen, dass die Autobranche Anschübe braucht! Aber nicht, als touristisches Objekt, sondern in Form von politischer Unterstützung hin zu einem Umsteuern mit dem Ziel klimagerechten Wirtschaftens. Hier hätten wir eine Chance zu zeigen, dass und wie es anders geht: ein Aufbruch in den klimaverträglichen Verkehr von morgen – und dies mit vernetzter Mobilität.

Autos müssen klein, leicht und effizient werden. 120 g/km CO2 sind ohne weiteres als Abgas-Obergrenze möglich, später natürlich unter 100 g.

Gescheitert ist wieder einmal eine Selbstverpflichtung der Industrie, nämlich die des europäischen Automobilverbands ACEA von 1998, die CO2-Emissionen von Neufahrzeugen bis Ende 2008 auf durchschnittlich 140g/km zu reduzieren. Nun muss baldmöglichst eine staatliche Regelung her.

Geschwindigkeit darf kein Verkaufsargument mehr sein. Wir brauchen zum Schutz unseres Klimas ein klares Tempolimit auf Autobahnen.

Wir brauchen Mobilitätsvernetzung incl. der Entwicklung einer intelligenten Software als Exportmarke für die verstopften Ballungsräume der Erde.

Wir brauchen den Ausbau des ÖPNV in Verbindung mit CarSharing.

Wir brauchen E-Mobilität (1 Mio. Autos bis 2020), Hybrid-Technologie natürlich incl. des Ausbaus der Erneuerbaren des Tankstellennetzes hierfür.

Unsere Vision: So sieht das Autoland BW aus

Mobilität

Wir wollen vom „Marken-Premium-Land“ zum „ökologischen-Premium-Land“ werden.

Das Land BW, die Autohersteller und weitere industrielle Partner können dafür sorgen, dass aus den vorhandenen Kompetenzen ein Synergieeffekt entsteht.

Forschungs- und Entwicklungsstandort (FuE) / Modellregion Baden-Württemberg: Wir können ein Kompetenz- und Forschungsfeld Batterie aufbauen mit Forschung für Elektrobatterien auf Lithium-Ionen-Basis.

Die Politik kann mit Schaffung ökologischer Rahmenbedingungen Lenkungswirkung in Richtung nachhaltiger Zukunft entfalten.

Tourismus

Wir streben auch einen anderen Tourismus im Land an. Mehr dazu findet sich im Tourismuspapier der Grünen Landtagsfraktion 2010:

„Grün bewegt Tourismus“.

 

Quellen

Edith Sitzmann, Werner Wölfle (02/2009): „Grün macht Baden-Württemberg mobil“ (Auto-Papier)

Edith Sitzmann, Franz Untersteller (08/2009): „Grün aus der Krise:Baden-Württemberg zum ökologischen Industriestandort machen“

Reinhold Pix (Sommer 2010): „Grün bewegt Tourismus“

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