“Irgendwann die Schnauze voll”


Badische Zeitung vom 17.2.11

Milchbauern diskutieren in Waldau mit den Hochschwarzwälder Landtagskandidaten über Quoten und Ausgleichszahlungen.
„Die Kuh ist noch nicht vom Eis“ und „Stoppt den Blindflug Milch“, die Aufforderung an die Referenten ist eindeutig. Bei einer Podiumsdiskussion in Waldau stellten sich die Landtagsabgeordneten Klaus Schüle (CDU), Walter Krögner (SPD) und Reinhold Pix (Grüne) den Fragen der Landwirte im nahezu voll besetzten Saal der „Traube“.
Mit auf dem Podium waren die beiden BDM-Teamleiter Michael Allgaier (Freudenstadt) und Andreas Schleicher (Rottweil-Tübingen) sowie der kurzfristig eingesprungene Konstantin Sell, Wahlreferent des FDP-Kandidaten Nikolaus Freiherr von Gayling-Westphal. Als neutraler Moderator fungierte der evangelische Pfarrer Stefan Boldt aus Königsfeld, der nur einmal aufkochende Emotionen dämpfen musste.

Bürgermeister und Behördenvertreter fehlten gänzlich, dagegen konnte der Aufsichtsratsvorsitzende der Schwarzwaldmilch, Markus Kaiser, begrüßt werden. Dass er als Finanz- und Steuerexperte keine wirklichen Lösungsansätze zum Thema Milch beisteuern konnte, war Konstantin Sell bewusst, weshalb seine Antworten eher als Anmerkungen verstanden wurden. Seine Aussage, dass es einer Marktsteuerung bedarf, dort wo der freie Markt keine Chance mehr habe, wurde jedoch mit Applaus quittiert.

Ihre jüngsten Äußerungen bei der BLHV-Versammlung in Titisee-Neustadt unterstrichen die Landtagsabgeordneten. So plädiert Pix für eine Änderung der Agrarförderung zugunsten der Ökologie: „Umwelt, Biodiversität, Wasser, gesunde Lebensmittel, das ist förderungswürdig“ . Eine Milchregulierung sei notwendig. Schüle verteidigt die bisherige Agrarpolitik und versprach, sich um den Erhalt der bisherigen Förderungen einzusetzen. „Mehr draufsatteln geht nicht“, so seine realistische Einschätzung. Krögner sieht neben der Milchproduktion im „Weg der größten Vielfalt“ Zukunftsperspektiven für die Landwirte. Die Verteilung nach dem „Gießkannenprinzip“ müsse gestoppt werden, mit Flächengröße hantieren gehe nicht. Die Verbraucher müssten noch stärker ins Boot genommen werden.

Allgaier ging auf die „fast beängstigende Eigenkapitalbildung“ der landwirtschaftlichen Betriebe in Baden-Württemberg von durchschnittlich 1300 Euro ein. Die angekündigte Kürzung der Zahlungen auf höchstens 70 Prozent Plus bedeute das Aus für viele Betriebe, da nach dem Wegfall der Quote 2015 die Zahlungen höher als bisher ausfallen müssten. „Wer sich selbst beschränkt, hat beste Chancen auf Außenschutz“, weist er auf die vielfältigen WTO-Regeln hin. Die Weichen in Richtung flexibler Milchmarktsteuerung zu steuern, muss nach Ansicht von Forstexperte und Biobauer Krögner das Ziel sein. Hier bedürfe es des Zusammenspiels zwischen Landes- und EU-Politik. Auch in der Markenbildung und der erhöhten Wertschöpfung sieht er noch Potenzial. „Da sind die Südtiroler mutiger.“
Allgaier: „Wir müssen die Menge in den Griff bekommen“

Was beim Wein geht, müsste auch bei der Milch gehen, meinte Weinbauer und Forstexperte Pix, der den dortigen Anbaustopp als eine Art Quote bezeichnet. Die Hektarhöchstertragsbegrenzung hätte einen Qualitätsschub gebracht und den Kleinbetrieben das Überleben gesichert. Ein Marktinstrument könnte daher die Quotierung sein. „Nicht ein Hauch von Chance“ bestand nach Einschätzung von Schüle für eine Quotenreduzierung. Bei einer nationalen Reduzierung wäre die Menge von außen gekommen, ist sich der promovierte Jurist sicher. Nur über die Rahmenbedingungen und durch den Zusammenschluss von Bergbauerngebieten könne das Maximum herausgeholt und das Erreichte erhalten werden. Das Ziel sei der Erhalt der Ausgleichszulage. „Das ist die Realität“, sagte er und monierte, dass bisher konkrete Umsetzungsvorschläge der Grünen im Hinblick auf die Regulierung fehlten.

Als Verrat an den Bauern bezeichnete Hermann Riebe (Bräunlingen) die Abkehr des damaligen Landwirtschaftsministers Peter Hauk und des Bauernverbandes von den Forderungen des Milchgipfels kurz vor der Bundesratentscheidung. Als ehrliche Position bezeichnete Schüle dagegen die damalige Stellungnahme Hauks: „Man sieht die Schwierigkeiten, doch muss man ehrlich bleiben, ob es einem passt oder nicht“. Ein nationaler Alleingang ist nach Ansicht von Andreas Schleicher sehr wohl möglich, wie Frankreich beweise. Auch Allgaier sieht eine Chance für den Erhalt der Quote, die schon 1988 ausgelaufen wäre, wenn man sich nicht massiv dagegen gewehrt hätte. „Wir müssen die Menge in den Griff bekommen, sonst passiert dasselbe, wie in der Schweiz“, wies, er auf die dortige „Bruchlandung“ hin.

Als Ablenkungsmanöver bezeichnete Hubert Maier (Breitnau) den von der CDU ins Spiel gebrachten Verteilungskampf, der mit der Marktregulierung und auskömmlichen Preisen nichts zu tun habe. Der Bauer müsse an der Wertschöpfung beteiligt werden, doch bisher schöpften nur wenige ab, weil die Politik sich nicht bewege. Dass ein Stallbau gefördert werde, gleichzeitig aber die Kürzung von Förderungen angekündigt wird, könne nicht als „verlässliche Politik“ verkauft werden. Nach Ansicht von Matthias Maier (Kirchzarten) gibt es immer Lösungen, alternativlos sei man nur, wenn man sich der Realität verschließe. Der BDM und der EMB zeigten nach Ansicht eines Bauers aus der Ortenau die von Schüle vermissten gangbaren Lösungswege auf. Derzeit bekämen die Bauern am Ende des Monats so viel, dass sie nicht mal die Kosten decken können. Wenn man Glück habe, bekomme man über das Amt den Rest. „Das macht man eine Zeit lang mit, doch irgendwann hat man die Schnauze voll“, zeigt er sich frustriert.

Die Ausgleichszahlungen sind gerechtfertigt für die Arbeit, die die Landwirte über das Produkt hinaus leisten, sagte Krögner, der die Zahlungen für Höhenlandwirte mangels Alternativen weiterhin für notwendig hält. Nach Ansicht von Karl Rombach (Stegen) wird die Schwarzwaldmilch einfach zu billig verkauft.
„Zuwächse haben wir nicht, wir arbeiten an der Stabilität“

Angesichts des Kraftfutteraufschlags müsste der Preis angehoben werden, doch es passiere das Gegenteil, sagte Johannes Ganter (Titisee-Neustadt). Als geradezu „pervers“ bezeichnete er die Förderung beispielsweise eines Tabakbauern, der 1,9 Millionen Euro Subventionen abgreife, wo doch Rauchen die Gesundheit gefährde. Er habe Angst, dass einige dem betrieblichen, körperlichen und finanziellen Spagat bald nicht mehr gewachsen sind. Gabriele Ortlieb (Münstertal) warf die Frage in den Raum, wie die bäuerlichen Rentner von ihrem „enormen“ Altersgeld leben sollen, wenn das Höfesterben erwartungsgemäß weiter geht. „Zuwächse haben wir nicht, wir arbeiten an der Stabilität. Wer mehr verspricht, sagt nicht die Wahrheit“, dämpfte Schüle mögliche Erwartungen. Kein anderes Bundesland würde die Landwirte wie Baden-Württemberg unterstützen, er sieht eine Chance nach 2013, wenn alle gemeinsam kämpfen. Der abschließende Sinnspruch des evangelischen Pfarrers und Dichters Kurt Marti, den der Moderator zitierte, hätte nicht treffender sein können: „Wo kämen wir hin, wenn jeder sagte wo kämen wir hin und niemand ginge, um mal zu sehen, wohin man käme, wenn man ginge.“

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