Badische Zeitung von 15.3.11
Von der Ausbildung bis zur Absenkung des Mehrwertsteuersatzes: DeHoGa-Kreisverband Hochschwarzwald wirft Themen auf, die der Branche wichtig sind.
HOCHSCHWARZWALD. Der Tourismus ist eine stabile Größe in Baden-Württemberg. Maßgeblichen Anteil daran haben die Hotel- und Gastronomiebetriebe. 13 Tage vor der Landtagswahl wollte der Dehoga-Kreisvorstand von den Kandidaten der vier im Landtag vertretenen Parteien wissen, was die Politik für Hoteliers und Wirte leisten kann, welche Rahmenbedingungen verbessert werden können.
Bei der Runde gestern im „Schwarzwaldhof“ in Hinterzarten riss jeweils ein Dehoga-Vorstandsmitglied ein Thema an. Der Vorsitzende, Michael Erfurth aus Hinterzarten, bat als Moderator um möglichst „konkrete Antworten.“
Bernd Meisinger von der Fachgruppe Tourismus und Hotellerie äußerte sich zur Ausbildungssituation ab. Es werde immer schwieriger, Jugendliche für Berufe im Hotel- und Gaststättengewerbe zu begeistern. Ein immer größerer Anteil habe einen Migrationshintergrund. Vielen fehle es an der Ausbildungsreife. Walter Krögner (SPD) sah die Lösung in einer längeren gemeinsamen Schulzeit mit professioneller Ganztagsbetreuung. Reinhold Pix (Bündnis 90/Die Grünen) war ähnlicher Ansicht. Für Klaus Schüle (CDU) hängt die Frage mit der Familienpolitik zusammen: „In den Familien werden die Grundlagen für die weitere Entwicklung gelegt.“ Eine Änderung des Schulsystems lehne er ab. Die Frage nach einer Liberalisierung im Jugendarbeitsschutz beantwortete Schüle mit „Ja, in Maßen.“ Pix sah hier keinen Verhandlungsspielraum: „Der Jugendarbeitsschutz wurde hart errungen und ist wichtig.“ Er forderte hingegen mehr Flexibilität in den Betrieben. Nikolaus von Gayling-Westphal (FDP) sprach sich für eine weitgehende Liberalisierung aus, fügte aber hinzu: „Wenn es zuviel wird, müssen die Jugendlichen auch den Mut haben, zu widersprechen.“ Krögner bezog sich auf eine Statistik des Wirtschaftsministeriums, wonach die meisten Jugendlichen ihre Ausbildung im Alter von 19 bis 20 Jahre abschließen: „Die fallen im letzten Jahr nicht mehr unter die Jugendschutzbestimmungen.“ Für Jüngere gelte hinsichtlich einer Liberalisierung „ein absolutes Nein.“
Peter Gutzweiler, Dehoga-Schatzmeister, setzte sich mit dem Problemfeld „sterbende Dorfgastronomie“ auseinander und verwies auf das Beispiel Blasiwald, wo es seit einigen Jahren keine Wirtschaft mehr gibt. Seine Schlussfolgerung: „Ohne Gastronomie kein Fremdenverkehr und ohne Tourismus keine Existenzgrundlage für den Einzelhandel. Die Lebensqualität sinkt.“ Abzubauen seien zudem bürokratische Hürden bei der Übergabe eines Betriebs innerhalb der Familie. Gayling war für Abbau der Bürokratie, sah aber einen Grund für den Rückgang bei den Dorfkneipen auch darin, dass die Wirte nicht mehr die Eigentümer sind. Jugendliche, meinte Krögner, ziehen den Kontakt per Internet dem Gespräch am Stammtisch vor: „Da fehlt ein großes Potential.“ Schüle will das Entwicklungsprogramm für den ländlichen Raum fortführen. Für Pix ist klar: „Stirbt die Dorfkneipe, stirbt das Dorf.“
Walter Wimmer von der Fachgruppe Gastronomie beschäftigte sich mit dem Thema Verbraucherschutz. Die Mitarbeiter würden vielfach geschult, die Vorschriften beachtet. Da aber nur ein Prüfer für 1000 Betriebe bereitstehe, sei die Vergabe von „Hygiene-Smileys“ umstritten: „Wer einmal Pech hat, ist für Jahre gebrandmarkt.“ Schüle war grundsätzlich für mehr Kontrollen, nicht nur bei der Gastronomie. Der Aufwand müsse allerdings bezahlt werden. Krögner sah eine Möglichkeit in einer Kontrolle auf freiwilliger Basis, eventuell überwacht durch die Dehoga. Gayling befand: „Das ist keine hoheitliche Aufgabe. Ein solcher Smiley stellt eine Diskriminierung dar.“
In das vierte Thema führte Martin Dünnebacke ein, stellvertretender Dehoga-Vorsitzender. 92 Prozent der Hotels seien Klein- und Mittelbetriebe, „mit einer Investitionszulage fördert der Staat also nicht Konzerne, sondern den Mittelstand.“ Zudem bleibe dieses Geld in der Region. Die Absenkung des Mehrwertsteuersatzes von 19 auf 7 Prozent für Übernachtungen „hat 2010 zu einer Verdreifachung der Investitionen geführt.“ Für Schüle „ein wichtiges Argument.“ Zur Zukunftssicherung gehöre aber auch, „den nachfolgenden Generationen nicht noch mehr Schulden zu hinterlassen.“ Nach wie vor stehe er zur Förderung des Wintersports auf dem Feldberg. Pix betonte, er sei nicht gegen Wintersport im Hochschwarzwald, die bestehenden Einrichtungen sollten erhalten werden: „Aber wir müssen die Prognosen der Klimaforscher beachten, wonach in 30, 40 Jahren kaum mehr Schnee in dem Mittelgebirge fällt.“ Pix sprach sich für die Ausweisung eines Biosphärenreservats aus: „Das bringt EU- und Bundesmittel in die Region.“ Gayling bezeichnete die Senkung der Mehrwertsteuer als „Punktlandung.“ Krögner verknüpfte eine weitere Ausdehnung des verringerten Mehrwertsteuersatzes mit der Grundsatzfrage: „Ist es wirtschaftlich, ökologisch und sozial?“ Moderator Erfurth fügte hinzu: „Diese Frage wird ohnehin auf Bundesebene entschieden.“
Gestreift wurde die Verbesserung der Zugverbindung von Freiburg nach Villingen-Schwenningen, eine Bahnunterführung in Titisee als direkter Zugang zum Bad, die Ausrichtung einer nordischen Ski-Weltmeisterschaft im Hochschwarzwald sowie Zuschüsse für Ganztagsschulen, weil die Kosten dafür nicht den Kommunen aufgebürdet werden dürften.
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