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Sind Angler Naturschützer? Sind die Grünen Angelfreunde oder Blockierer?

Wie stehen die Grünen zur nachhaltigen Gewässernutzung, zu Kormoranschäden, Wasserkraftanlagen, Bootstourismus und zum Nachtangelverbot? Positionen von Reinhold Pix zum Angeln und zur Fischerei

Ziel bündnisgrüner Fischereipolitik ist es, unter Berücksichtigung von Umwelt-, Verbraucher- und Arbeitsmarktinteressen für eine bestandserhaltende und lebensraumverträgliche Nutzung der Fischbestände zu sorgen.

Das Angeln hat viele positive Wirkungen: es trägt zur Erholung bei und schafft soziale Bindungen in Angelvereinen und vor allem Naturverbundenheit. In einer Zeit, in der insbesondere Jugendliche und auch Kinder zunehmend von der Natur entfremdet sind, begrüßen BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, wenn sich Menschen in der Natur aufhalten sowie Geduld und Beobachtung in der Natur üben. In zahlreichen Angelvereinen gibt es hierzu vorbildliche Initiativen. An manchen Gewässerrändern kommt es aber auch zu Störungen der Tierwelt, insbesondere von Brutvögeln und Beeinträchtigungen der Ufervegetation. Daher wünschen wir uns viele aktive Angler in oder außerhalb von Vereinen, bei denen der Umgang mit Abfall, Lärm und Rücksichtnahme auf Tier- und Pflanzenarten vorbildlich ist und die dazu beitragen, dass die Angelfischerei eine wichtige, eben vorbildliche Funktion in unserer Gesellschaft einnimmt.

Eine intakte Natur ist Basis der Angelfischerei. Deshalb müssen auch im Interesse der Angelfischerei Strategien zum Gewässererhalt ergriffen werden. Eine auf das Gleichge­wicht der Gewässerökologie ausgerichtete Angelfischerei ist ein wichtiges Element einer nachhaltigen Gewässernutzung. Trotz verstärkter Aktivitäten bestehen im Bereich Gewässerschutz jedoch noch deutliche Defizite. Unter Respektierung der Naturschutzziele sollen Belange der Angelfischer bei Gewässerschutzmaßnahmen angemessene Berücksichtigung finden. Hierbei bieten sich Kooperationsmöglichkeiten besonders auch bei der Renaturierung von Gewässern und bei Wiederansiedlungsprojek­ten. Behörden und Kommunen sollten mit den Angelvereinen verstärkt in der Jugendarbeit kooperieren.

Berufsfischerei und Teichwirte: Vor allem die von klein- und mittelständischen Familien­unternehmen betriebene Teichwirtschaft schafft Arbeitsplätze in oft strukturschwachen Regionen. Wir wollen das Arbeitsplatzpotential dieses Wirtschaftsbereichs ausschöpfen, ohne auf Kosten der Zukunft zu wirtschaften. Das Ziel muss eine auskömmliche Pro­duk­tion nach guter fachlicher Praxis sein, die Fischbestände sichert und eine nachhaltige Bewirtschaftung gewährleistet. Der Verbrauch natürlicher Ressourcen (Dünger, Futter, Energie) ist auf ein nach dem aktuellen Stand der Technik unvermeidbares und verträgli­ches Maß zu vermindern. Bei der Zufütterung ist der Einsatz natur- und umweltverträgli­cher Proteinquellen notwendig.

Naturschutz und Fischerei in Naturschutzgebieten

Angelfischer, die sich um Fischartenschutz, um Gewässerrenaturierung, um Durchgängigkeit der Gewässer, um Gewässerreinhaltung, um Müllentsorgung etc. und somit um Naturschutzziele kümmern sind ohne Zweifel auch Naturschützer. Angler engagieren sich für die Fischbestände, die Gewässer und die Umwelt. Sie kommen den im Landesfischereigesetz festgelegten Verpflichtungen zur Hege und Pflege von Gewässern und Fischbeständen mit großem persönlichem und finanziellem Einsatz nach. Eine Reihe von Maßnahmen – insbesondere des Biotopschutzes – begrüßen BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sehr. Besatzmaßnahmen sollen im notwendigen Maß dort möglich sein, wo sie zur Bestandserhaltung als Übergangsmaßnahme unerlässlich sind. Wichtig ist es jedoch, insbesondere die Fließgewässer wieder zu reichstrukturierten Lebensräumen zu entwickeln, in denen die Fischbestände auch ohne Stützungsmaßnahmen nachhaltig stabil sind. Strukturreiche Gewässer mit ausreichender Dynamik und Deckungsmöglichkeiten für Fische reduzieren auch den Fraßdruck durch Fischjäger wie den Kormoran.

In Naturschutzgebieten hat der Naturschutz Vorrang. Hege hat ihre Berechtigung als Hilfsmaßnahme, um Einflüsse des Menschen durch Gewässerausbau, Gewässerverschmutzung und –nutzung abzumildern. In Naturschutzgebieten liegt der Schwerpunkt darauf, negative Einflüsse zurückzunehmen und stattdessen naturnahe Entwicklungen zu fördern, um so gute Bestandsentwicklungen in ökologisch stabilen Systemen zu erhalten. Allerdings sollten Einschränkungen nicht pauschal erfolgen, sondern dann, wenn der Schutzzweck des Gebietes aus Naturschutz- und Tierschutzbelangen dies erfordert. Angler, die sich auch als Naturschützer verstehen, werden dies akzeptieren. Bei einer fairen Abwägung kommt es in der Regel zu Lösungen, mit denen alle Seiten gut leben können.

Kormoranmanagement

Im Juli 2010 wurde die aktuelle Kormoranverordnung zum Schutz der natürlich vorkommenden Tierwelt und zur Abwendung fischereiwirtschaftlicher Schäden erlassen. Wie stehen wir GRÜNEN dazu?

Wir streben keine „Verringerung“ der Kormoranbestände an. Kormorane unterliegen wie alle anderen Tier- und Pflanzenarten natürlichen Populationsschwankungen. Eine Regulierung der Kormoranbestände ist mit BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN nur unter Berücksichtigung artenschutz- und naturschutzfachlicher Kriterien möglich. Soweit in einzelnen Fällen konkret wirtschaftliche Schäden bei Binnenfischern, Teichwirten oder Fischzüchtern nachgewiesen werden, können lokal begrenzte Abwehr- und Vergrämungsmaßnahmen und Maßnahmen zur Begrenzung des Bruterfolgs durchgeführt werden. Denn hier können Betriebe in ihrer Existenz betroffen und gefährdet sein. Hier sieht das strenge europäische Artenschutzrecht entsprechende Ausnahmen vor.

Wo es dagegen um Freizeitnutzung geht, sind andere Maßstäbe anzulegen und die Schwerpunkte anders zu gewichten. Dies darf auch mit Fug und Recht von anerkannten Naturschutzvereinen erwartet werden. Zahlreiche wissenschaftliche Untersuchungen, beispielsweise aus allen Anrainerstaaten des Bodensees, haben gezeigt, dass Kormorane auch durch harte Maßnahmen wie Abschuss und massive Vergrämung nicht dezimiert werden können, sondern lediglich an andere Standorte ausweichen.

Zur Versachlichung der häufig emotional geführten Diskussion um den Kormoran begrüßen wir GRÜNEN z. B. gemeinsame Kormoranzählungen wie in Bayern, um darauf aufbauend ein erfolgreiches Bestandsmanagement zu entwickeln. Solche Initiativen werden wir auch in Baden-Württemberg unterstützen. Denn wir brauchen neue Allianzen zwischen Fischerei und Naturschutz, mit denen sich die drängenden Probleme und ökologische Baustellen wirkungsvoll angehen lassen: Wir müssen die Gewässer renaturieren. Wir müssen die Flussauen wiederherstellen. Wir wollen unsere Gewässer viel mehr strukturieren, damit die Fische Rückzugsmöglichkeiten vor dem Kormoran haben.

Wasserkraft

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN wollen einen Fisch- und fischereiverträglichen Ausbau der Wasserkraft bei einer konsequenten Sicherung der Durchgängigkeit der Flüsse, Beachtung der Vorgaben der EU-Wasserrahmenrichtlinie sowie Vermeidung gewässerschädlicher Folgen. Es muss gewährleistet sein, dass die Gewässer als lebendige Ökosysteme erhalten bleiben und nicht geschädigt werden. Dabei muss der Fischschutz so weit wie möglich gewährleistet werden.

Ein Neubau von Wasserkraftanlagen an naturnahen Gewässern ist abzulehnen. Ansonsten ist über die Nutzung durch Einzelfallprüfung zu entscheiden. Querverbauungen mit Staustufen vermindern die Durchlässigkeit der Fließgewässer für wandernde Fischarten und verändern Fließgeschwindigkeiten und damit Temperaturverhältnisse und Sedimentationsprozesse. Dies ist nicht nur aus Sicht des Naturschutzes ein Problem, sondern auch aus Sicht der Fischerei.

Der Ausbau der Wasserkraft ist daher auf die Modernisierung von Altanlagen und auf Standorte, die bereits querverbaut sind bzw. aus anderen Gründen verbaut werden, zu konzentrieren. Bei den technischen Lösungen sind Mobilität und Fortpflanzungsfähigkeit von Fischarten zu berücksichtigen (Umbau von Verbauungen mit Fischauf- und abstiegsanlagen, Ausleitungs- und Umfließungsgerinnen, angepasste Anströmgeschwindigkeit der Turbinen, Bogenrechen mit hinreichender Dichte der Streben). Eine Renaturierung von Nebenflüssen und Bächen (Neuanlage von Mäandern und Rückbau von Staustufen) und der Rückbau von Uferbefestigungen, Kanalisierungen und Verrohrungen liegen auch im Interesse der Fischerei und der Angler.

Die Krönung der Verbesserung aller Maßnahmen sind Wiederansiedlungsprojekte von ursprünglich heimischen wandernden und regional bereits ausgestorbenen Fischarten. DIE GRÜNEN begrüßen das sehr engagierte Lachs- und Meerforellenwiederansiedlungsprojekt der „Wanderfische Baden-Württemberg gemeinnützige GmbH“ (WFBW), bei dem Fischartenschutz, Renaturierungsmaßnahmen, Monitoring, Forschung und Bildung hervorragend miteinander kombiniert werden. Dies ist ein vorbildlicher Beitrag zum nachhaltigen Schutz gesicherter Wanderfischbestände in ökologisch intakten und sauberen Gewässern.

Bootsfahren

Der gewerbliche Bootstourismus nimmt stetig zu, woraus sich zahlreiche natur- und artenschutzfachliche Konfliktfelder ergeben. Zwischenzeitlich wurde auf Initiative der Fischerei im Landesnaturschutzverband die Arbeitsgruppe „Bootsfahren – Naturschutz“ installiert. Wir werden den Dialog fortführen – gute Beispiele der Kooperation zwischen Anglern, Fischern, Naturschutz und Wassertourismus gibt es beispielsweise an der Enz. Diese möchten wir stärken und befördern. Im Einzelfall muss zwischen Erholungsbedürfnissen, touristischen Entwicklungschancen und ökologischen Belangen abgewogen werden.

Wir GRÜNEN unterstützen die Entwicklung von Konzepten zum nachhaltigen Kanu- und Bootstourismus, denn eine intakte Natur ist der Garant für einen nachhaltigen, sanften Tourismus, der Beschäftigung im ländlichen Raum schafft. Im Dialog wollen DIE GRÜNEN die Landratsämter in ihren Bemühungen um eine zeitliche und mengenmäßige Begrenzung der Wassersportnutzung unterstützen (Kontingente für Ein- und Ausstiege, Begrenzung der Ein- und Ausstiegsstellen, Tabuzonen). Wo an landesweit bedeutsamen Fließgewässern wie z. B. der Jagst vor Ort keine zielführenden und tragfähigen Lösungen gefunden werden, kann auch eine Steuerung durch die Mittelbehörden sinnvoll sein.

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