Pressemitteilung vom 2. Juli 2010

Reinhold Pix: Tourismus „auf grünem Kurs“

Grüne zur Entwicklung eines nachhaltigen Tourismus in Baden-Württemberg

Mit mehr als 42 Mio. Übernachtungen, knapp 3 Mrd. Euro Umsatz (3% des BIP) und 5% der Beschäftigten zählt die Tourismusbranche zu den großen Arbeitgebern im Land. Der Tourismus ist bedeutender Wirtschaftsfaktor – gerade auch  im ländlichen Raum und er wird an Bedeutung noch zunehmen.
Tourismus stellt jedoch auch eine große Belastung für die Räume dar, in denen er stattfindet. Potenziell zerstört er seine eigene Grundlagen: je stärker die Tourismusbranche im Lande wächst, desto schneller. Verkehr, Lärm, Flächenverbrauch, Ressourcenverbrauch, Müll: Kein anderer Wirtschaftszweig nagt so unerbittlich an seinen eigenen Voraussetzungen; keine andere Branche ist von einer vielfältigen, naturnahen Landschaft so abhängig.
Dringend erforderlich ist daher eine Ausrichtung des Tourismus, die die Interessen der Tourismuswirtschaft zu ihrem eigenen Wohlergehen stärker als bisher in Einklang mit der natürlichen und sozialen Umwelt bringt. Wir treten daher ein für eine neue Tourismuspolitik, die sich an den Prinzipien der Nachhaltigkeit und der ethischen Verantwortung orientiert. Die Tourismuspolitik des Landes muss „auf grünen Kurs“ gebracht werden. Die Entwicklung eines konsequenten „grünen Profils“ der Urlaubsregionen Baden-Württembergs soll dabei ein wesentlicher Vorteil im nationalen und internationalen Wettbewerb sein.
Tourismus und Umwelt stehen vor zentralen Herausforderungen. Klimawandel, demografischer Wandel und gesellschaftlicher Wertewandel wirken sich unmittelbar und auf Dauer aus. Die Finanz- und Wirtschaftskrise lässt viele Menschen die nahen Urlaubsregionen im Inland neu entdecken. Tourismus ist Verursacher und Betroffener des Klimawandels zugleich. Förderung von Schneekanonen oder Ausbau von Flughäfen sind Instrumente einer veralteten Tourismuspolitik. Ein gut ausgebautes Netz von ÖPNV, Fahrrad- und Wanderwegen in Kombination mit geeigneten Unterkünften ist Voraussetzung für Urlaub mit Zukunft. Keine Zukunft hingegen hat der alpine Wintersport in Baden-Württemberg. Für Straßenbau oder Parkhäuser an alpinen Skihängen darf es ebenfalls keine Unterstützung durch das Land mehr geben.
Auch die Demografie verlangt ein Umdenken: In zehn Jahren werden nahezu 50% der Deutschen über 50 Jahre alt sein. Dieser Wandel verlangt entsprechende kulturelle und bauliche Angebote. Von der Barrierefreiheit für Menschen mit Behinderungen sind wir weit entfernt. Familien brauchen mehr günstige Unterkünfte und Jugendliche mehr Einrichtungen, die ihren Interessen entsprechen.
Der Wertewandel in der Gesellschaft zeigt: Lebensqualität und Sinnhaftigkeit gewinnen an Bedeutung. Weil dieser Trend  zu einem  gesunder Lebensstil große Chancen für die Tourismusentwicklung in ländlichen Regionen bietet, wollen wir den sanften Tourismus durch politische Unterstützung modernisieren und damit neue Zielgruppen wie die „Lohas“ (Lifestyle of Health und Sustainability) ansprechen. Wir wollen eine gesunde, genussvolle Gastronomie mit naturnah erzeugten, gentechnikfreien Lebensmitteln.
Umweltfreundliche Mobilität spielt eine entscheidende Rolle im Klimaschutz. Deshalb verfolgen wir auch im Urlaub das Prinzip der Nachhaltigkeit. Dem ungebremst zunehmenden motorisierten Individualverkehr und der Zerschneidung reizvoller Landschaften werden wir entgegenwirken durch deutlichste Zurückhaltung im Straßenbau und unser klares Nein zum Ausbau von Flughäfen.
Touristisch wollen wir endlich einsteigen: ins Anreisekonzept „Fahrtziel Natur“ der Deutschen Bahn und der Umweltverbände. Wo die Landesregierung es bisher versäumt hat, den „weißen Fleck Baden-Württemberg“ ins Konzept der DB einzubinden, wollen wir einen großen grünen Tupfer setzen. Auch unsere Naturerholungsgebiete sollen für umweltbewusste UrlauberInnen erreichbar werden. Touristische Zielgebiete lassen sich mit attraktivem ÖPNV, Wander- und Radwegenetzen erschließen. Dazu gehört auch die Qualitätssteigerung der Radwegenetze durch eine deutlich sichtbare und einheitliche Beschilderung. Die Mountain-Bike-Wegenetze in den Mittelgebirgen wollen wir kontrolliert erweitern. Und schließlich: alle überregional bedeutsamen Wegenetze müssen künftig in die Raumplanung integriert werden.
Die Vielfalt der Landschaften macht Baden-Württemberg zu einem attraktiven Reiseziel mit hohem Erholungswert. Wir wollen, dass das so bleibt. Für die Pflege und den Erhalt der charakteristischen Natur- und Kulturlandschaften brauchen wir naturnah wirtschaftende Landwirte, Obst- und Weinbauern. Sie halten die Landschaft offen und tragen zum Schutz wertvoller Lebensräume wie Wacholderheiden, Streuobst- oder Bergwiesen bei. Hier müssen Naturschutz und Landbewirtschaftung mit Tourismus und dem Erhalt von Arbeitsplätzen Hand in Hand gehen. Wichtig ist uns auch der Erhalt von Umfang und Qualität beim „Urlaub auf dem Bauernhof“ als Chance, sich Natur und Landbewirtschaftung im Urlaub lustvoll zu nähern.
Wir wollen einen Nationalpark in Baden-Württemberg. Großschutzgebiete wie Nationalparke, Biosphärenreservate und  Naturparke dienen einem erfolgreichen Natur- und Landschaftsmarketing und führen zu mehr Arbeitsplätzen. Daher wollen wir eine Debatte über die Einrichtung eines Nationalparks und eines zweiten Biosphärenreservates. Wir fordern die bessere Ausstattung des Biosphärenreservates Schwäbische Alb und der Naturparke,  die effektive Nutzung dieser Instrumente für die Tourismusförderung  sowie ein professionelles Produkt- und Landschaftsmarketing.
Absage an das Gießkannenprinzip. Nachhaltigkeit und Regionalität sind für uns unumstößliche Prämissen. Die Landesregierung hat Baden-Württemberg als zentrale Destination vermarktet anstatt die Regionen in den Vordergrund zu stellen. Wir fordern, alle Zuwendungen und Maßnahmen regional abzustimmen. Die Tourismuspolitik des Landes soll künftig eine ökologische Vorreiterrolle einnehmen, um sich damit international zu profilieren. Mittelfristig aussteigen wollen wir aus allen Staatsbädern und Bäderbeteiligungen des Landes. Auch hier erweist sich die monetäre Unterstützung mit der Gießkanne als Fiasko: statt die Bäder auf eigene Füße zu stellen, benötigen sie so auf Dauer Finanzspritzen vom Land. Wir wollen die objektbezogene Tourismusförderung auf Maßnahmen für Klimaschutz, Naturschutz und Barrierefreiheit fokussieren und beschränken.

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