Positionspapier der grünen Landtagsfraktion zur Verbraucherpolitik

von Reinhold Pix (Herbst 2010)

Verbraucherpolitik hat sich seit Renate Künasts Tätigkeit als Verbraucherschutzministerin zu einem immer aktuellen, querschnittsorientierten und stark durch Skandale geprägten Thema entwickelt. Die Grüne Landtagsfraktion stellt im hier vorliegenden Papier Grundlagen für die Verbraucherpolitik vor.
Es besteht erheblicher Verbesserungsbedarf in der Verbraucherpolitik der Landesregierung. Im Bereich Lebensmittel/Landwirtschaft hat die Landesregierung viele eigene Handlungs- und Regelungsmöglichkeiten, die wir politisch in unserem Sinne einfordern. Viele Bereiche des Verbraucherschutzes liegen in der Kompetenz des Bundes oder der EU. Hier fordern wir die Landesregierung zur Einflussnahme über die entsprechenden Institutionen auf. Wie bereits geschehen, werden wir selbst unsere Anliegen über die grünen Abgeordneten und Fraktionen auf Bundes- und EU-Ebene direkt in die jeweiligen Parlamente, Ministerien und Kommissionen einbringen.

Kernforderungen grüner Verbraucherpolitik in Baden-Württemberg lauten:

1) Ministerium für Ernährung und Ländlichen Raum modernisieren und umbenennen

Das jetzige MLR muss modernisiert und zu einem Verbraucherschutzministerium entwickelt werden. Als Zeichen für die hohe Priorität des Verbraucherschutzes soll dieser auch im Titel des Ministeriums zum Tragen kommen.

2) Verbraucherpolitik heißt Vorsorge

Es genügt nicht, Skandalen um Gammelfleisch, brennbaren Teddybären oder fragwürdigen Finanzdienstleistungen hinterher zu rennen. Im Zuge der Globalisierung und immer höherer Bedeutung des Internethandels hat vorsorgende Verbraucherinformation höchste Bedeutung. Der Verzicht auf Gentechnik und die Förderung von schadstofffreien Bio-Lebensmitteln sind besonders plastische Beispiele hierfür – und gleichzeitig Beispiele für eine Verbraucherpolitik der Landesregierung, die diametral zu den Interessen der VerbraucherInnen erfolgt und wichtige Trends verschläft.

3) Kinder und Jugendliche – Zielgruppe von Werbung und Verbraucherschutz

Handytarife, Internetverträge, alkoholische Mixgetränke: Kinder und Jugendliche stehen immer mehr im Fokus findiger Werbestrategen. Auch daher besitzt eine qualifizierte Verbraucherinformation eine immer größere Bedeutung. Baden-Württemberg allerdings liegt auf Platz 13 bei der Förderung der Verbraucherzentralen. Die Verbraucherzentrale ist stärker als bisher zu unterstützen.

4) Produkt- und Siegelvielfalt versus Ampel- und Toprunner-Prinzip

Ob bei der Zertifizierung von Holz, Spielzeug oder Lebensmitteln – es fehlen einfache, verbraucherfreundliche Zertifizierungssysteme nach dem Vorbild des „Ampel-Prinzips“ sowie klare gesetzliche Vorgaben und Anreizsysteme nach dem Toprunner-Prinzip. Hierfür treten die Grünen ein.
Neben den direkten parlamentarischen Initiativen kooperieren wir mit Verbänden und Interessengruppen im Bereich der Verbraucherpolitik und stimmen unsere Politik mit ihnen ab.

Aufgrund der vielfältigen Produkt- und Dienstleistungspalette kommen im Verbraucherschutz ständig neue Themen auf die Tagesordnung. Das hier vorgelegte Positionspapier umreißt die Mehrzahl der aktuellen Themen.

 

Grünes Positionspapier zu Verbraucherschutz

 

Verbraucherschutz hat durch Renate Künast Eingang gefunden in die deutsche Politik – unter ihr gab es erstmals in Deutschland ein Verbraucherschutzministerium – was sowohl die Inhalte als auch die Bezeichnung des Ministeriums betrifft. Die von ihr 2001 – 2005 formulierten Ansprüche und Zielsetzungen unterstützen wir in vollem Umfang.
Das Handeln des derzeitigen baden-württembergischen Fachministers und der Landesregierung hinkt diesen Ansprüchen und Zielsetzungen jedoch weit hinterher. Es bestehen erhebliche Defizite und akuter Handlungsbedarf im Bereich der Verbraucherinformation, Verbraucherbildung und Verbraucherschutz.
Daher hat die Landtagsfraktion der Grünen Baden-Württemberg im folgenden ein eigenständiges Positionspapier für Verbraucherschutz in Baden-Württemberg formuliert.

„Grüner Leben“ heißt für uns beim Verbraucherschutz, dass sich Sicherheit und Transparenz mit hoher Produktqualität und einem positiven Lebensgefühl verbinden.
Das Thema „Verbraucherschutz“ umfasst sowohl den gesundheitlichen als auch den wirtschaftlichen und betrifft daher nahezu alle Lebensbereiche. Der gesundheitliche Verbraucherschutz schließt sowohl die Sicherheit von „Lebens-“Mitteln und Produkten als auch die Qualität und Sicherheit von Pflege- und Gesundheitsdienstleistungen ein. Der wirtschaftliche Verbraucherschutz umfasst den Schutz der wirtschaftlichen Interessen der Verbraucherinnen und Verbrauchern.

I Allgemeines

a) Leitbild

Ziel unserer Politik ist es, dem Verbraucher den Zugang zu unabhängigen Informationen und den transparenten Einblick in Produktionsabläufe und Herkunft der Produkte zu gewährleisten. Dadurch sollen die VerbraucherInnen befähigt werden, sich aufgrund der gegebenen Informationen selbstständig zu entscheiden um die gewünschte Produktqualität zu erhalten. Dies ist durch entsprechende Bildungsinhalte ab Kindesalter sowie durch die Stärkung unabhängiger Beratungseinrichtungen zu erzielen. Der aufgeklärte und mündige Verbraucher ist auf dieser Grundlage fähig, Entscheidungen zu treffen und seine Marktmacht einzusetzen.
Neben einer Verbraucherpolitik, die auf Information, Transparenz und Mitbestimmung für den mündigen Verbraucher setzt, steht der direkte Verbraucherschutz: Weiter ist es unser Ziel, den Verbraucher durch entsprechende Regelungen vor Schädigungen und Gefährdungen, die von ihm nicht erkannt werden können, zu schützen.

b) höhere politische Priorität für Verbraucherschutz

Der Verbraucherpolitik muss im Land eine höhere Priorität eingeräumt werden. Wie die Verbraucherkommission in ihrem Bericht vom März 2007 zutreffend darlegt, ist weder der Verbraucherschutz im Namen des Ministeriums aufgenommen, noch sind die Zuständigkeiten klar gebündelt und nach außen erkennbar. Konkrete Ansprechpartner sind nicht benennbar. Minister Hauk ist schwerpunktmäßig mit der Agrarindustrie und Erzeugerseite befasst und vernachlässigt die Belange des Verbrauchers.
Teile des Verbraucherschutzes sind zudem im Wirtschafts-, im Justiz-, im Kultur sowie im Umweltministerium angesiedelt. Insbesondere zwischen MLR und Umweltministerium existiert – nicht nur beim Verbraucherschutz – eher Konkurrenz als Kooperation. Diese strukturellen Fehler machen beispielhaft deutlich, dass die Landesregierung kein übergeordnetes Konzept für den Verbraucherschutz besitzt

Wir fordern:

Die Landesregierung muss die Kompetenzen im Bereich der Verbraucherpolitik bündeln und die Zuständigkeit in einem einzigen Ministerium ansiedeln.
Eine Umbenennung des Ministeriums für Ländlichen Raum in Ministerium für Verbraucherschutz und Ländlichen Raum würde der Bedeutung der Verbraucherpolitik Rechnung tragen und für Klarheit sorgen. Die Aufteilung im Ministerium muss nach außen dargelegt werden, um konkrete Ansprechpartner zu haben.

c) Situation Verbraucherzentrale

Die Tätigkeitsbereiche der Verbraucherzentrale haben sich erheblich geändert und ausgeweitet. Neue Medien, Öffnung der Märket und Privatisierung der Daseinsvorsorge sind Herausforderungen, vor welchen die Verbraucher zunehmend stehen. Die Verbraucherzentrale übernimmt zudem Arbeitsbereiche, die in anderen Staaten von Behörden wahrgenommen werden. Bei der Erfüllung ihrer Aufgaben muss sie sich auf ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter stützen können, die ein hohes Spezialwissen besitzen.
In Baden-Württemberg ist die Verbraucherzentrale derzeit personell unterbesetzt und daher für viele Ratsuchende nur schwer erreichbar. Zahlreiche Beratungsstellen in der Fläche wurden geschlossen.
Baden-Württemberg liegt einerseits mit 0,16 Euro/Einwohner Zuschuss an die Verbraucherzentrale auf Platz 13 von 16 bundesweit. 190.000 Anfragen im Jahr 2007 i.V. zu 170.000 Anfragen im Jahr 2006 zeigen andererseits den enormen Aufklärungsbedarf der Bevölkerung.
Als Folge früherer Einschnitte bei der öffentlichen Förderung sind Informationen vielfach nur in unzumutbar langer Frist oder mittels sehr teurer und schwierig erreichbarer Telefonhotline zu erlangen. Damit werden einkommensschwache Schichten und wenig mobile Personen im ländlichen Raum vom Zugang zur unabhängigen Verbraucherinformation ausgeschlossen.
Dabei besitzen die VerbraucherInnen selbst höchst unterschiedliche Kenntnisse über die Eigenschaften von Produkten und Dienstleistungen. Sie sind daher in vielen Fällen auf anbieterunabhängige Institutionen wie die Verbraucherzentrale angewiesen, die ihnen die für ihre Kaufentscheidung notwendigen Informationen ergänzend oder korrigierend zu den manches Mal völlig unzureichenden Angaben der Anbieter zur Verfügung stellen

Wir fordern:

Die Verbraucherzentralen müssen personell und finanziell durch öffentliche Mittel besser ausgestattet werden, um anbieterunabhängige Information und Beratung an Verbraucher unabhängig von deren finanzieller Einkommenssituation und Mobilität in sinnvoller Frist leisten zu können. Hierzu ist zusätzliches Personal mit Spezialwissen (Internet, Finanzfachdienstleistungen…) erforderlich. Angestrebt wird ein Zuschuss in Höhe von 0,26 Euro/Einwohner, was dem derzeitigen bundesweiten Durchschnitt entspricht.

d) Verbraucherinformationsgesetz – Produkt- und Lebensmittelsicherheit

Die aktuellen Vorkommnisse bei unsicheren und zum Teil gesundheitsschädlichen Spielwaren, verdorbenen Fleischerzeugnissen oder hoch belastetem Obst und Gemüse zeigen, dass die Produkt- und Lebensmittelsicherheit nicht im erforderlichen Umfang gewährleistet ist. Allerdings führt die Informationspolitik der Ministerien und Behörden immer noch dazu, dass Verbraucher nicht erfahren, ob die Erzeugnisse, die schon eingekauft wurden, sicher sind. Sie verstärken die Verunsicherung der Verbraucher. Darüber hinaus ist vollständig unklar, was etwa aus Spielwaren wird, die „freiwillig“ bzw. „still“ zurückgerufen werden. Die baden-württembergische Landesregierung verhinderte in der letzten Legislaturperiode durch ihr Abstimmungsverhalten im Bundesrat die Umsetzung eines von Renate Künast vorgelegten Verbraucherinformationsgesetzes, das die Benennung von Firmen ermöglichen sollte. 2007 übernahm Umweltministerin Tanja Gönner die grüne Forderung.

Wir fordern:

Die Behörden des Landes müssen ihre Erkenntnisse über „schwarze Schafe“ ungeschminkt an die Öffentlichkeit geben. Die Behörden müssen für diese zusätzliche Aufgabe organisatorisch und personell entsprechend ausgestattet werden, um sicherzustellen, dass Verbraucheranfragen auch tatsächlich zeitnah und qualifiziert beantwortet werden.
Die Landesregierung muss sich im Bundesrat und bei der Bundesregierung für eine Novellierung des Verbraucherinformationsgesetz einsetzen, um dem Informationsanspruch der Verbraucher tatsächlich gerecht zu werden. Zudem fordern wir ein Rückrufmanagement für Bedarfsgegenstände, das definitiv sicherstellt, dass zurückgerufene Ware weder im Land noch anderweitig auf den Markt kommt.

 

II Gesundheitlicher Verbraucherschutz

 

„Grüner Leben“ ist untrennbar mit Genuss und Qualität verbunden.

Die Grünen haben für den Bereich der Lebensmittel den Begriff des „Feinkostladens Baden-Württemberg“ geprägt. Dazu gehören gesunde, schadstofffreie, gentechnikfreie, möglichst regionale Bio-Lebensmittel, deren Produktion die Bewirtschaftung vielfältiger und artenreicher Kulturlandschaften unterstützt. Die letzten Jahre zeigten, dass der Anteil der Menschen, denen dies wichtig ist, deutlich anstieg. Die Verbraucher mit ihrer zunehmend großen Nachfrage nach Bio- und Regionalprodukten und dem Wunsch nach gentechnikfreien Lebensmitteln sind hierbei der Regierungspolitik im Lande weit voraus.

„Grüner Leben“ ist also ein moderner Trend, während der angebliche Verbraucherminister Hauk als Gentechnik-Befürworter nicht die Interessen der Verbraucher vertritt.

1) Lebensmittelkontrollen

Die Zerschlagung des bis dahin gut funktionierenden Wirtschaftskontrolldienstes WKD im Zuge der Verwaltungsreform in der letzten Wahlperiode wurde nicht ausreichend aufgefangen. Der schlechte Platz 15 im Ländervergleich bei der Lebensmittelkontrolle spricht für sich (Quelle: Studie der Verbraucherzentralen). Die Ansiedlung der Lebensmittelkontrolle bei den Landratsämtern/Unteren Verwaltungsbehörden hat zu uneinheitlichen Standards und fehlendem Informationsaustausch zwischen den einzelnen Behörden geführt. Vor allem jedoch mangelt es weiterhin an Personal und Budget, um eine ausreichende Kontrollfrequenz durchführen zu können. Trotz erhöhter Kontrolltätigkeit schätzen die Kreise den Zusatzbedarf auf 80 weitere Personalstellen ein.

Wir fordern:

Das Verbraucherministerium muss sich massiv für eine Verbesserung der Lebensmittelkontrolle einsetzen. Die Landkreise und kreisfreie Städte sind mit ausreichend Mitteln und Personalstellen zur Lebensmittelkontrolle zu versorgen. Nach dem Vorbild des früheren WKD müssen die zuständigen Personen fachlich und strukturell in der Lage sein, schnell und effektiv über Kreis-, Länder- und Staatsgrenzen hinweg miteinander zusammen zu arbeiten. Hierzu bedarf es auch bei der Polizei fachlich qualifizierter MitarbeiterInnen, die bei Bedarf kurzfristig mit ihren polizeilichen Befugnissen tätig werden können. Es müssen einheitliche Qualitätsstandards für die Kontrollen erarbeitet werden und es muss eine bessere Informationsvernetzung sowohl zwischen den Gebietskörperschaften als auch zwischen den Ländern gesichert werden.

2) Reduzierung des Einsatzes synthetischer Pestizide in der Landwirtschaft

Pestizidfunde im Trinkwasser und Rückstände in Lebensmitteln belegen die Gefährdung der Verbraucher durch den Einsatz synthetischer Pestizide in der Landwirtschaft. Anstelle sich hinter die Umweltverbände zu stellen, die entsprechende Missbrauchstatbestände aufdecken, blockt Minister Hauk eine Zusammenarbeit ab und vereinfacht über die Erweiterung einschlägiger Regelungen den Pestizideinsatz in der Landwirtschaft (Ablehnung unseres Pestizidreduktionsprogramms). Pestizide haben weder im Trinkwasser noch in anderen Lebensmitteln etwas zu suchen. Aufgabe jeder Verbraucherpolitik, die dem Vorsorgeprinzip verpflichtet ist, ist es, die Rahmenbedingungen dafür zu schaffen, dass Landwirte und Wasserversorger so arbeiten können und so arbeiten müssen, dass den VerbraucherInnen pestizidfreie Lebensmittel zur Verfügung stehen.

Wir fordern:

Der Einsatz von grundwassergefährdenden synthetischen Pestiziden in der Landwirtschaft muss verboten bzw. reduziert werden.
Die Kriterien für das Qualitätszeichen Baden-Württemberg müssen unter Aspekten des Verbraucher- und Umweltschutzes überarbeitet werden.
Die verbraucherirreführende Etikettierung bei Säften mit dem Qualitätszeichen Baden-Württemberg, denen unter der Bezeichnung „Aus Streuobst oder Integriertem Anbau“ mit Pestizid behandeltes Plantagenobst beigemischt werden darf, muss umgehend eingestellt werden. Auch auf EU-Ebene muss die Landesregierung ihren Einfluss geltend machen, um verbrauchertäuschende Regelungen zu verhindern bzw. zu verändern.

3) Bioförderung

Der Bio-Boom wird von der Landesregierung missachtet. Die Verbraucher müssen zunehmend auf Erzeugnisse aus anderen Ländern zurückgreifen, was einem starken Verbraucherinteresse nach regionalen Produkten genauso wie dem Biogedanken und dem Ziel regionaler Wirtschaftskreisläufe zuwiderläuft. Die Umstellungsförderung des Landes wurde über Jahre eingestellt und erst 2007 wieder mit – zu niedrigen – Fördersätzen eingeführt. Zudem wendet sich Minister Hauk auf Bundesebene gegen Förderprogramme für Biolandwirte (zuletzt im Dezember 2007 bei einer Initiative des Bundesminiteriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (BMELV) zu Förderprämien für ökologisch wirtschaftende Tierhaltungsbetriebe). Auch dieses Verhalten entspricht nicht den Interessen der Verbraucher.
Bio-Lebensmittel garantieren Gentechnikfreiheit, was dem Wunsch einer breiten Verbrauchermehrheit entspricht. Minister Hauk hat sich nach anfänglich unklaren Aussagen inzwischen klar auf die Seite gegen diese Verbraucherinteressen geschlagen: Er befürwortet Gentechnik auch in der Landwirtschaft.

Wir fordern:

Die ökologische Erzeugung von Nahrungsmitteln in Baden-Württemberg muss viel stärker als bisher gefördert werden, da durch sie hochwertige Lebensmittel regional erzeugt und positive Effekte bei Bodenschutz, Wasserschutz und Klimaschutz (Transportwege) erreicht werden. Zudem liegt hierin eine zukunftsfähige Wachstumschance für regionale Landwirte.
Hierzu gehören die Wiedereinführung einer Umstellungsprämie, die Aufstockung der bestehenden Förderung und die Übernahme des Seehofer-Vorschlages zur Förderung von Bio-Betrieben mit Tierhaltung im Rahmen der von Bund und Ländern finanzierten Gemeinschaftsaufgabe Agrarstruktur und Küstenschutz (GAK) im Herbst 2007. Die Marketing-Gesellschaft Baden-Württemberg (MBW) soll in direktem Anschluss an die stärkere Förderung der Erzeuger eine Kampagne zur erfolgreichen Vermarktung von Bio-Lebensmitteln starten.

4) Lebensmittelkennzeichnung

Die Lebensmittelkennzeichnung muss überarbeitet werden, da sie derzeit für den Verbraucher keine verlässliche und überprüfbare Information hinsichtlich Herkunft und Qualität ergibt. So können insbesondere Begriffe wie „regional“ und „umweltschonend erzeugt“ verbrauchertäuschend sein, da sie nicht klar definiert sind.
Zwar ist bei Frischgemüse und Frischobst zwingend das Herkunftsland anzugeben, nicht aber bei verarbeiteten Produkten wie beispielsweise Orangen- oder Apfelsaftkonzentrat: der Verbraucher bleibt so im Unklaren darüber, ob das Produkt aus regionaler Produktion stammt oder über Tausende von Kilometern und damit mit hoher Klimabelastung transportiert wurde.
Weiter ist derzeit noch keine gesicherte Kennzeichnung hinsichtlich gentechnisch veränderter Produkte eingeführt. Insbesondere fehlt die konsequente Ausweisung des Einsatzes von GVO (Gentechnisch Veränderte Organismen) in der gesamten Erzeugungskette (z.B. Futtermittel in Tierhaltung)
Zudem fehlt es an einer klaren, eindeutig erkennbaren und für die Verbraucher leicht ver-ständlichen Kennzeichnung hinsichtlich der Wertigkeit der Produkte (Nährwert, Inhaltsstoffe, Konservierungsstoffe)

Wir fordern:

Das Land muss sich auf bundespolitischer und EU-Ebene für eine klare und überprüfbare Kennzeichnung der Lebensmittel einsetzen, die die Herkunft klar erkennen lässt sowie die Erzeugungsart deutlich ausweist. Das Baden-Württembergische Qualitätszeichen muss diesbezüglich überarbeitet werden.
Weiter fordern wir eine klare Einstufung der Lebensmittel nach Nährwert /Empfehlung der Ernährungswissenschaft z.B. ein Ampelmodell (Rot, Gelb, Grün).

5) Kindergärten und Schulen

Prägend für die Ernährungsgewohnheiten eines mündigen Verbrauchers ist, wie er als Kind oder Jugendlicher mit Essen und Trinken konfrontiert, welche Angebote und welche Informationen er erhält.
Das Land unterstützt einen Strauß an Initiativen und Projekten, die von Kooperationsprojekten mit Anbietern (EDEKA) über agrarpolitische motivierte Maßnahmen bis hin zur eigenen Beratung reichen.
Ein stringentes, an den Bedürfnissen der Verbraucher ausgerichtetes Konzept der Ernährungsberatung ist weder generell noch speziell bei der wichtigen Zielgruppe der Kinder und Jugendliche zu erkennen.

Wir fordern:

Die Ernährungsbildung und –beratung des Landes ist im Rahmen eines Gesamtkonzeptes und aus einem Guss zu entwickeln und umzusetzen. Stärker als bisher ist in Lehrplänen von Schulen und Berufsschulen das Bewusstsein über gesunde Lebensmittel und Zusammenhänge zwischen Essverhalten, Landschaft, Gesundheit und Klimaschutz zu vermitteln.
Das Programm „Beki“ (Bewusste Kinderernährung) ist zumindest in bisherigem Umfang wieder zu fördern. Die Ernährungszentren des Landes sind zu erhalten und stärker als bisher aus die Themen „Bio-Lebensmittel“, „Gentechnikfreie Lebensmittel“ „regional und pestizidfrei erzeugte Lebensmittel“ auszurichten.

6) Verbraucherschutz und Gesundheit

Der Umfang des Elektrosmogs hat sich in den letzten 10 Jahren vervielfacht.

Wiewohl es bezüglich der einzelnen Folgen von schnurlosen Telefonen, Mobilfunkmasten, WLAN-Anschlüssen, Monitoren… kontroverse Diskussionen gibt, ist beispielsweise völlig unumstritten, dass schnurlose Telefone nicht in Kinderzimmern aufgestellt werden sollen. Zudem gilt gerade in diesem Bereich des „technischen Gesundheitsschutzes“ das Vorsorgeprinzip.
Die bekannt gewordene Belastung von Regenjacken, Stoppersocken und anderen Kleidern mit Schadstoffen ist nur die Spitze eines Eisberges. Welcher Verbraucher weiß schon, daß die Bezeichnung „reine Baumwolle“ auf dem Etikett einer Bluse zugelassen ist, selbst wenn – beispielsweise neben 73% Baumwolle noch 27% anderer nicht-textiler Bestandteile wie Farbstoffe, Harnstoff-Formaldehydharz , Weichmacher und Optische Aufheller enthalten sein dürfen?

Wir fordern:

Initiative des Landes im Bundesrat zur Einführung des Top-Runner Prinzips bezüglich der Strahlungsintensität für Telefone jeglicher Art, Computer und andere technische Geräte mit elektromagnetischen Strahlungen. Initiative des Landes auf EU-Ebene zur Einführung einer EU-Bio-Richtlinie für Textilien analog zur EU-Bio-Lebensmittelrichtlinie.

 

7) Produktsicherheit

 

Täglich erreichen die Verbraucher Schreckensmeldungen über Produkte die in keiner Weise vernünftigen Sicherheitsstandards entsprechen. Elektrogeräte, die nach kurzer Betriebsdauer in Flammen aufgehen, Kinderspielzeug, das sich in verschluckbare Kleinteile auflöst und dazu noch giftig ist, Teppiche, Fußböden, Farben die giftige Dämpfe ausdünsten, die Liste ließe sich beliebig verlängern.
Es gibt zwar Prüfzeichen (VDE oder GSTÜV), diese sind aber nicht allgemein verpflichtend und können nur auf Antrag und nach erfolgter positiver Prüfung erworben werden.
Mit der CE-Kennzeichnung an einem Produkt, die teilweise zwingend vorgeschrieben ist, erklärt der Hersteller selbst, ohne Überprüfung einer unabhängigen Stelle, dass dieses die grundlegenden Sicherheits- und Gesundheitsanforderungen der einschlägigen EU-Richtlinien erfüllt. Die Vergabe des CE-Zeichens ist zudem zeitlich unbegrenzt, so dass gesetzlich vorgeschriebene Verbesserungen nicht berücksichtigt werden müssen, es werden auch keine Zwischenkontrollen durchgeführt.
Bis jetzt besteht keine Verpflichtung der Hersteller die Sicherheit ihrer Produkte nachzuweisen, wie es beim Auto üblich ist. Es gibt auch Obergrenzen für die Schadstoffe, die emittiert werden dürfen, aber keine Überprüfung ihrer Einhaltung.

Wir fordern:

Das überall aufgedruckte CE-Zeichen ist Verbrauchertäuschung und sollte in dieser Form abgeschafft oder komplett überarbeitet werden.
Wir fordern ein einheitliches, europaweites Prüfsiegel angelehnt an das bereits bestehende VDE/GS-Prüfzeichen, das auf dem Geräte- und Produktsicherheitsgesetz (GPSG) beruhen soll. Dieses Prüfsiegel muss rechtsverbindlich sein. Jede Produktneuzulassung oder -weiterentwicklung muss zur Begutachtung vorgelegt werden, angelehnt an die TÜV-Prüfungen beim KFZ, und darf ohne Prüfsiegel nicht in den Handel gelangen. Produkte, die vor mehr als fünf Jahren entwickelt wurden und noch immer unverändert im Verkauf sind, müssen neu begutachtet und auf den neuesten technischen Stand gebracht werden. Dieses Siegel muss alle Aspekte der Produktsicherheit umfassen um dem Prüfsiegel-Wirrwarr ein Ende zu machen und den Verbraucher darüber zu informieren, dass er das von ihm gewünschte Produkt bedenkenlos kaufen kann. Die Überprüfung der Produkte darf nicht nur die Baumusterprüfung, sondern muss auch die laufende Produktion am Ort des Verkaufs umfassen.

III) Wirtschaftlicher Verbraucherschutz

1) Energieeinsparung

Seit 1998 müssen in Deutschland bestimmte elektrische Haushaltsgroßgeräte (Kühl- und Gefriergeräte, Waschmaschinen, Elektrobacköfen, Geschirrspüler, Trockner, Waschtrockner) im Handel mit einem Energieverbrauchsetikett – auch EU-Label, EU-Energie-Label, Gerätelabel, Energiesparlabel, oder Energieetikett genannt – ausgezeichnet werden. Dies hilft sowohl dem Privathaushalt nachweisbar Geld zu sparen in Form von Absenkung der Energiekosten als auch der Umwelt, weil der CO2 Ausstoß reduziert wird.
Allerdings gilt das bisher nur für diese wenigen Gerätegruppen, obwohl schon lange bekannt ist, dass eine entsprechende Klassifizierung auch für alle andere Elektrogräte sinnvoll wäre.
Ständig steigt die Zahl der Geräte die mit einer kleinen, permanent leuchtenden Diode auf den dauernden Standby-Betrieb aufmerksam machen oder eine eingebaute elektronische Uhr haben.
Nur wenige Geräte kommen ohne den „Bereitschaftszustand“ aus. Als Beispiel dient das Fernsehgerät, das nur mit der Fernbedienung ausgeschaltet wird um es später auch bequem wieder einschalten zu können.
Der Standby-Modus verbraucht nach Angaben des Umweltbundesamtes jährlich bundesweit 20,5 Milliarden Kilowattstunden. Würden wir bundesweit auf Standby verzichten, könnten wir zwei Atomkraftwerke einsparen.
Die Unterschiede im Stromverbrauch einzelner Geräte mit vergleichbaren Leistungsmerkmalen sind immens: Manche Geräte verbrauchen im Stand-by-Modus oft doppelt so viel Strom wie sparsamere Modelle. Leider ist keine Kennzeichnung der Verbrauchswerte für diese Geräte vorgeschrieben. Diese Werte sind für den Käufer nur schwer oder überhaupt nicht erkennbar.
Dabei ist eine präzise und klare Information über Energieverbrauch und CO2-Ausstoß in Zeiten des drohenden Klimawandels von hoher Bedeutung und für immer mehr Verbraucherinnen und Verbraucher ein wichtiges Kaufkriterium.

Wir fordern:

Wir fordern die Landesregierung und besonders Minister Hauk auf, als Vorsitzender der Verbraucherministerkonferenz das Einführen eines Energielabels zu forcieren. Das GEA-Energielabel, das auf freiwilliger Basis auf Antrag quasi als Belohnung vergeben wird, muss wie das Label für Küchengroßgeräte Pflicht werden.
Als Vorbild muss das „Top runner Modell“ aus Japan dienen, das als Maßstab jeweils das Gerät nimmt, das am effizientesten ist. Das Nichterreichen des Energieeffizienz-Standards führt dann in letzter Konsequenz zur Verbannung des Gerätes, des Autos oder der Maschine vom Markt, das diese Standards nicht mehr erreicht.

2) Strom- und Gaspreise

Undurchsichtige Preisgestaltung und wenig Klimaschutz kennzeichnen heute den Energiemarkt in Deutschland. Der Energiemarkt Deutschland ist durch die Quasimonopolstellung der vier großen Konzerne geprägt. 80 Prozent der Stromproduktion und beinahe 100% der Grundlastkapazitäten in Deutschland liegen in ihrer Hand. Den Gasmarkt dominiert sogar ein einziges Unternehmen. Es gibt zwar 700 Gasversorger in Deutschland. Aber der Großhandel wird von E.on Ruhrgas dominiert, über das Unternehmen fließt nach Angaben des Kartellamts gut 60 Prozent des inländischen Gasaufkommens. Genauso verhält es sich bei den Gas- und Stromnetzen, die größtenteils denselben Konzernen gehören. Zwar hat die Bundesnetzagentur den überhöhten Netzgebühren einen Riegel vorgeschoben, aber zu Preissenkungen für den Verbraucher kam es dennoch nicht, da die Versorger zugleich höhere Beschaffungskosten geltend machten.
Für den Verbraucher hat die Liberalisierung der Energiewirtschaft bisher nicht zu Vorteilen geführt. Durch das Fehlen eines Wettbewerbs und der einseitigen Preisfestlegung durch die Energiekonzerne sehen diese sich nicht veranlasst, ihre Preisgestaltung transparent zu machen.

Wir fordern:

Die Preiskalkulationen der Energieversorger gehören auf den Tisch. Die undurchsichtige Preisgestaltung und Preiserhöhungen, gegen die der Verbraucher auf Grund der Monopolstellung der Konzerne keine Handhabe hat, müssen effizient bekämpft werden. Aufgeklärte Verbraucher wollen wissen, wofür genau sie was zahlen sollen. Falls das Überprüfungsrecht nach BGB sich hier als nicht ausreichend herausstellen sollte, muss der Bundesgesetzgeber die Rechte der Verbraucher weiter stärken.
Die Entflechtung von Stromproduktion und Stromnetz ist notwendige Vorraussetzung dafür, dass die Verbraucher in Zukunft überhaupt auf einen Markt mit wirklichem Wettbewerb agieren können. Insbesondere beim Neubau von Kraftwerken ist darauf zu achten, dass sich die Stromproduktion nicht weiter konzentriert. Deutschland muss seinen Widerstand gegen die Pläne zur eigentumsrechtlichen Entflechtung auf EU-Ebene aufgeben. Auch die Landesregierung benötigt einen Kurswechsel hin zu Verbraucherschutz statt EnBW-Schutz.
Damit es auch im Gasmarkt zu neuen Anbietern kommt, fordern wir ein Biogaseinspeisegesetz. Ähnlich wie beim Strom muss auch den Biogaserzeugern sowohl der Zugang zum Netz möglich sein als auch mit einer angemessenen Einspeisevergütung die Produktion von Biogas marktfähig gemacht werden.

3) Internet und Kommunikation

Internetabzocke ist das Thema des Jahres 2007 und wird es weiterhin leider wohl bleiben. Zahlreiche Unternehmen halten sich nicht an die gesetzlich vorgeschriebenen verbraucherschützenden Vorschriften und gestalten ihre Internet-Angebote zunehmend intransparent und irreführend.
Eine der Folgen: Nach jüngster Veröffentlichung der Privatinsolvenzen erreichen diese neue Rekordmarken (erstmals über 100.000/Jahr).
Unlautere Telefonwerbung („Cold Calls“) hat sich zu einer regelrechten Landplage entwickelt. Nach dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) stellt die Werbung mit Telefonanrufen gegenüber Verbrauchern ohne deren Einwilligung eine unzumutbare Belästigung dar und ist verboten. Ein Vertrag, den der Werbende mit dem Verbraucher bei dem Telefonat abschließt, ist allerdings wirksam und bindet den Verbraucher. Ein großes Gefährdungspotential liegt hier z.B. bei unseriösen Internetanbietern, die unter Vortäuschung von Testseiten oder unklaren Eingabemasken eine langfristige Vertragsbindung mit hohen Kosten erreichen wollen. Zudem ist die unseriöse Telefonwerbung („Cold Calls“) weiterhin ein großes Problem. Gerade unerfahrene, nichtinformierte Verbraucher binden sich auf diesem Wege leichtfertig, oftmals sogar ungewollt.. Die Verbraucherzentrale weist auf einen sprunghaften Anstieg an Beratungsfällen in diesen Feldern hin.

Wir fordern:

a) im Bereich Internet

Die Landesregierung muss sich auf Bundesebene für folgende Gesetzesänderungen einsetzen:
Die Abschöpfung von Unrechtsgewinnen muss bereits bei grob fahrlässigem unlauteren Handeln möglich sein.
Auf Wettbewerbsverstößen basierende Verträge müssen vom Verbraucher aufgelöst und er/sie muss Schadensersatz verlangen können.
Bezüglich der Bedeutung des Ausfüllens und Absendens von Anmeldeformularen muss eine deutliche Kennzeichnungspflicht eingeführt werden. Preise/Kosten für die Inanspruchnahme einer bestimmten Dienstleistung müssen direkt beim Anmelde-/ Bestätigungsbutton stehen – analog § 66a TKG. Andernfalls darf kein wirksamer Vertrag zustande kommen und dementsprechend kein Vergütungsanspruch bestehen. Diese Regelung könnte zum Beispiel in § 312e Abs. 1, Satz 1, Ziffer 5 BGB eingefügt werden.

b) im Bereich Telefonwerbung

Die Landesregierung muss sich auf Bundesebene für folgende Gesetzesänderungen im UWG / BGB einsetzen: Aufgrund verbotener Telefonwerbung geschlossene Verbraucherverträge müssen vom Gesetzgeber für unwirksam erklärt werden. Unlautere Telefonwerbung lohnt sich für das werbende Unternehmen dann nicht, wenn die Folgeverträge von vornherein unwirksam sind. Beim Gewinnabschöpfungsanspruch nach § 10 UWG ist das Erfordernis des Vorsatzes durch das Erfordernis der (groben) Fahrlässigkeit als Verschuldensform zu ersetzen.

4) Öffentlicher Verkehr – ÖPNV

Immer noch gültig ist das noch aus der Kaiserzeit stammende, heute aber völlig überholte Privileg der Verkehrsunternehmen, den Kunden jegliche Ansprüche bei Schlecht- oder Nichtleistung zu verweigern.

Wir fordern:

Die Landesregierung muss sich auf Bundesebene dafür einsetzen, dass dieses Privileg aufgehoben wird. Es ist notwendig, dass zeitgemäße Fahrgastrechte im Allgemeinen Eisenbahngesetz und im Personenbeförderungsgesetz verankert werden. Hierzu zählen u. a. die Verpflichtung der Verkehrsunternehmen zur Information der Fahrgaste nicht nur bei Vertragsschluss sondern auch bei Verspätungen und Fahrtausfällen, die gesamtschuldnerische Haftung aller Verkehrsunternehmen innerhalb der am Fahrschein orientierten Reisekette, ein verschuldensunabhängiges Recht auf Rücktritt (einschließlich Rückbeförderung an den Ausgangsort) im Verspätungsfall ab einer Verspätung von einer Stunde und ein verschuldensunabhängiger zeitlich gestaffelter Bargeld-Fahrgelderstattungsanspruch ohne Bagatellgrenze von 30/60/90 % ab einer Verspätung von jeweils 30/60/90 Minuten.

5) Finanzdienstleistungen

Die Komplexität und Tragweite finanzieller Entscheidungen nimmt für die Verbraucherinnen und Verbraucher ständig zu. Schon heute werden über ein Viertel aller Verträge über Finanzdienstleistungen per Internet oder Telefon abgeschlossen. Mit dem Binnenmarkt für Finanzdienstleistungen in der EU27 werden zunehmend Finanzprodukte sehr unterschiedlicher Qualität und mit unterschiedlichen rechtlichen Rahmenbedingungen auf den Markt kommen. Demgegenüber stehen häufig unzutreffende oder unzureichende Informations- und Beratungsangebote auf dem Kredit- und Versicherungsmarkt, die gravierende finanzielle Folgen für die Betroffenen haben können.
Neuestes skandalöses Beispiel sind die Zwangsvollstreckungen gegen Häuslebauer, auch wenn sie korrekt ihre Raten bezahlt hatten, weil ihre „Bank“ den Kredit mit der Grundschuld – aber ohne Sicherungsvereinbarung – an Finanzinvestoren verkauft hatte. Vielfach sind Familien das Eigenheim los und bleiben noch auf einem Berg von Restschulden sitzen.
Ein anderes Beispiel ist die bisher vielfach unzureichende Information bei der Vermittlung von Versicherungsverträgen, die zu unnötigem Versicherungsschutz, zu überhöhten Prämien oder – wie oftmals bei Verträgen zur Alterssicherung – sehr viel später zu schmerzlichen Erfahrungen führt, weil über das „Kleingedruckte“ nicht informiert worden war oder die juristischen Texte nicht allgemeinverständlich sind.
Auch scheinbar verlockende Angebote für Ratenkäufe führen vielfach gerade bei BezieherInnen von niedrigen Einkommen zu hohen Belastungen und zur Überschuldung bis hin zum Privatkonkurs.

Wir fordern:

1. Generelle Verbesserungen auf Bundesebene

* Die Zusammenführung der in zahlreichen Gesetzen zersplitterten Regelungen in einem „Gesetz über den Verbraucherschutz und die Verbraucherinformation bei Finanzdienstleistungen“. Dieses muss klare, nachprüfbare, für die Verbraucherinnen und Verbraucher verständliche Regelungen im Sinne von „Mindestanforderungen für den Verbraucherschutz und die Verbraucherinformation für Finanzdienstleistungen“ (MAV) formulieren, so wie sie für die banktechnische Prüfung von Kredit- und Handelsgeschäften (MAK und MAH) bestehen. Die Regelungsdichte für Banken und Versicherungen sollte gleichzeitig in anderen, überzogenen Bereichen abgebaut werden.
* Die Zusammenführung der bisher aufgeteilten Zuständigkeit der Bankenaufsicht und der Versicherungsaufsicht bei einer Institution, die auch gleichzeitig direkte Beschwerdestelle für die VerbraucherInnen ist. Dabei müssen die „MAV“ Gegenstand der regelmäßigen Berichterstattung und Aufsichtsprüfung aller Finanzdienstleister sein. Nur so kann die Qualitätssicherung des Verbraucherschutzes nachhaltig gewährleistet werden,

sowie auf Landesebene

* die Stärkung und bessere finanzielle Ausstattung der Verbraucherzentralen, um der starken Zunahme des Beratungs- und Informationsbedarfs bei Finanzdienstleistungen und insbesondere bei Überschuldungsproblemen gerecht werden zu können,
* verbesserte Information über das Thema „Geld und Finanzen“ im schulischen Unterricht – hier bietet sich z.B. für Lehrbeauftragte (Jugendbegleiter) an Ganztagesschulen ein lohnendes Tätigkeitsfeld an. Vielfach sind bereits Jugendliche von Überschuldung betroffen,

2. Verbesserungen für aktuelle Problemlagen

* Kein Weiterverkauf von Krediten an Finanzinvestoren ohne Information und Zustimmung der KreditnehmerInnen. Bei der korrekten Bedienung von Krediten muss die „Zwangsvollstreckung“ durch Kreditaufkäufer ausgeschlossen werden.
* Verbesserte Beratungs- und Umschuldungshilfen für Verbraucher, die durch mangelhafte Beratung und Information in die Überschuldung geraten sind.

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