Nightlife-Guru: Podiumsdiskussion @ Goethe Gymnasium

Fudder – Stadtgespräch vom 21.2.11

Es geht heiß her, kurz vor der Landtagswahl. Vor allem auf Podiumsdiskussionen – so auch heute Vormittag im Goethe Gymnasium. Was sich zeigte: Die Jugend ist interessiert! Und unser Nightlife-Guru bekam Schelte für’s Zuspätkommen.

Vor der Tür …

… Totenstille. Diese Party scheint entweder einwandfrei isoliert zu sein, oder einfach gar nicht abzugehen. Der Gang des Goethe Gymnasiums ist leer, ist ja auch Schule. Morgens um … waaaas, schon fünf nach halb zehn? Ich bin zu spät. Eine Lady, deren roter Rollkragenpullover farblich zu den Fingernägeln passt, empfängt mich mit bösem Blick in der Aula. Sie schnaubt: Zu spät. Ich werde auch rot. Ja ja, ich weiß … Diese Security-Menschen werden ja immer ungemütlicher.

Inneneinrichtung und Deko

Um die 100 Schüler sitzen auf ordentlich aufgereihten Holzstühlen. Sie alle blicken gebannt und ziemlich unentspannt auf die Bühne. Dort stehen drei Tische, sechs Wasserflaschen, sechs Namenschildchen. Im Hintergrund: Eine ziemlich hässliche Landtagswahl-Collage an die Wand gebeamt. Wenigstens weiß ich jetzt, worum es geht. Es ist eine Motto-Party!

Wer war da?

Abgesehen von der Security-Lady in Rot sitzen eigentlich nur unscheinbare Zwölftklässler in der Aula. Zwei besonders aufwändig frisierte davon stehen auf der Bühne, das scheinen die Gastegeber zu sein. Sie begrüßen nacheinander vier Herren –wahrscheinlich die VIPs – die sich jeweils zu zweit einen Tisch teilen.

Diese Herren sind ganz eigentümlich gekleidet. Der eine, auf seinem Schild steht Christoph Glück, FDP, trägt einen braunen Pollunder über dem gestärkten Hemd. Der Herr neben ihm, Klaus Schüle, ist so eindeutig overdressed, dass man ihm seinen schwarzblauen Anzug am liebsten ausziehen möchte. Walter Krögner, SPD, in seinem lila Schal und Reinhold Pix im Jägerkostüm schauen heute irgendwie wurzelzwergig aus. Und das, obwohl sogar die Medien da sind: Radio Regnbogn, Südbaden TV.

Klangwaren-TÜV und Chat-Check

Jedes Mal, wenn ein Gast auf die Bühne geholt wird, erklingt andere Musik. Bei „Auf de schwäb’sche Eisebahne“ erscheint der CDU-Mann Schüle, SPD-Kandidat Krögner schaut bei „I can get no satisfaction“ kurz etwas pikiert, Grünenvertreter Pix lacht mit bei „Anti, Anti“ und Christoph Glück von der FDP hätte wohl lieber „We are the Champions“ gehört, als das „Freiheitslied“.

Dann erschallt noch „die Internationale“ – na, für wen ist die wohl gedacht? „Vielleicht für’s Wetter, das ist ja heute auch ziemlich mies“ unkt FDP-Mann Glück. Reinhold Pix nimmt das Lied als Anlass für einen Seitenhieb Richtung Kultusministerium, das die Linkspartei von der Diskussionrunde wieder ausgeladen hat. Walter Krögner hingegen nimmt die Linke in Schutz: Es sei einfach „erbärmlich“, wie man ständig auf den Linken herumhacke.

Catering und Getränke

Zu Trinken gibt’s nichts – nur geredet wird darüber. Als es um das Verbot von Alkohol-Käufen an Tankstellen nach 22 Uhr geht, lallt Öko-Winzer Reinhold Pix: „Das ist reinster Lobbyismus der Union. Die wollen nur die Gastro-Betriebe fördern. Ich könnte ja ein Schild bei mir vor’s Haus hängen: Zwischen 22 und 2 Uhr leichte Weine kostenlos abzugeben.“

Auch Gastronom Glück scheint eine Chance zu wittern, mit seinem sagenhaften Witz bei den Jungen Eindruck zu schinden. Alkohol von der Tanke sei für ihn eigentlich kein Thema. „Ich persönlich habe immer einen Vorrat zuhause.“ Walter Krögner will Vorbild sein und auf allen öffentlichen Veranstaltungen Wein verbieten lassen. Na dann, Prost.

Aufregerle

Die Moderatoren stellen zwar kompetente Fragen, geben aber durch ihre Körpersprache eindeutig zuverstehen, worum es ihnen eigentlich geht: „Alter, hoffentlich blamieren wir uns nicht.“ Read-my-Bodylanguage! Der Blick schweift ab, das Haar fällt in die Stirn, die Lider werden schwer. Den beiden scheinen die Antworten der Kandidaten total schnuppe. Man mag es ihnen nicht verübeln: Vor allem CDU-Mann Schüle scheint in seinem Redeschwall dann und wann zu vergessen, dass er es mit einem Haufen Teenager zu tun hat – und nicht mit der Vorstandriege der baden-württembergischen Landesbank.

Auf dem Klo …

… ist es leer. Um der Langweiler-Lounge nebenan noch etwas länger zu entkommen, verbringe ich etwas mehr Zeit im Latrinen-Kabinchen und lese Lars-liebt-Lisa-Gedicht-Herzchen und F***-Mathe-Hass-Sprüche. Ich frage mich: Welcher Idiot schreibt an eine Klotür, dass er Harry Potter heiraten will?!

Aufheiterle und Fazit

Zwar scheint die Veranstaltung von oben diktiert worden zu sein, doch sieht’s so aus, als ob erstaunlich viele junge Menschen Lust auf Politik haben. Sie heben die Hand, machen sich Sorgen um Studiengebühren und G8, fragen, was die CDU in Hamburg falsch gemacht habe. Gurus interessieren sich ja in dem Alter noch nicht für die Fehler irgendwelcher Parteien. Hier scheint das ganz anders zu sein: Manche Schüler fanden die zweistündige Podiumsparty sogar „zu kurz“. Wenn das mal keine gute Aussichten für unsere Demokratie sind.

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