Grußwort am Aktionstag „Echt Jetzt“ in Staufen

Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger,

ich bedauere es sehr, dass ich aus gesundheitlichen Gründen heute mein Grußwort nicht selbst halten kann.

Wer Straßen sät, wird Verkehr ernten!
Dieser Satz stammt nicht etwa von einem urgrünen Ideologen, sondern von Danie Goedevert, der u.a. im Vorstand von VW saß. Eine Weisheit, die immer noch stimmt und immer noch ignoriert wird.
Es ist ein Irrtum, dass mehr Straßen, breitere Fahrbahnen und höhere Geschwindigkeiten Verkehrsprobleme lösen.

Mit dem Versprechen schneller von A nach B zu kommen, opfern wir Natur und Landschaft. Wir verbrauchen unseren Lebensraum und geben Gedanken an die Folgen hier ein Stück Ackerland, da ein Stück Wald, Wiese und Grünland für Asphalt unwiederbringlich auf. Landschaften werden durchschnitten und Ökosysteme zerstört. Ausgleichsflächen sind ein Feigenblatt, denn eine Reparatur der tiefgreifenden Zerstörung ist unmöglich. Der Neubau verhindert, dass mehr Geld in den Erhalt der bestehenden Infrastruktur und in den ÖPNV fließt. Statt Millionen und Milliarden für sinnlose Straßen brauchen wir Geld im ÖPNV-Ausbau.

Wir stellen einerseits Klimaschutzpläne auf, um dann auf der anderen Seite für die Zunahme des Verkehrs zu sorgen. Die Faktenlage und die Rahmenbedingungen haben sich geändert, die Welt- klimasituation spitzt sich zu.

„Wir schlafwandeln in die Klimakatastrophe“, hat UN-Generalsekretär António Guterres mit Blick auf die anhaltend starke Nutzung von fossilen Energieträgern gewarnt.
Der Weltklimarat zeichnet in seinem jüngsten Bericht ein düsteres Bild für die Zukunft. Hitzewellen, Waldbrände, Überschwemmungen, zunehmender Dürren, Ernährungsunsicherheiten und Hungersnöte, die jeden Winkel der Welt erfassen werden. Ganze Ökosysteme werden für immer verschwinden und Pflanzen, Insekten und Tiere sich nicht anpassen können. Wenn jetzt nicht gehandelt wird steht die sichere Existenz der Menschheit auf dem Spiel.

Was bedeutet der Weiterbau der Ortsumfahrung?
Zuerst bedeutet es einmal, dass Grunern von der Stadt Staufen abgeschnitten wird. Der Weg für Fußgänger*innen und Radfahrer*innen wird länger, ein Spaziergang durch die Felder nach Staufen verliert jeden Reiz und wird vom Autolärm gestört, das Naherholungsgebiet wird zerschnitten. Die Auswirkungen des 2. Bauabschnitts werden deutlich größer sein und den Befürworter*innen ist nicht bewusst, wieviel Landschaft hier zerstört wird und wie sich das Landschaftsbild ändern wird.

Die Stadt Staufen mit seiner Altstadt ist unbestreitbar ein Tourismusmagnet, aber wie lange hält sich ein Gast in Staufen auf? Tourismus lebt nicht von einem Abstecher in eine gut erhaltene Stadt, sondern davon, was er für Erholungssuchende noch zu bieten hat. Die einzigartige Lage am Eingang zu einem markanten Schwarzwaldtal und in der Vorbergzone, lädt die Menschen dazu ein, für längere Zeit in Staufen zu bleiben. Erholungssuchende wollen in einer vielfältigen Landschaft wandern oder mit dem Fahrrad in Richtungen der malerischen „Weindörfer“ auf dem Weg gen Süden aufbrechen.

Natur- und Landschaftsräume werden als Erholungs- und Erlebnisraum intensiv genutzt und sind unverzichtbar. Aber täglich verschwinden viele Hektar und Beton und Asphalt. Das Artensterben ist Realität. In Baden-Württemberg haben wir deshalb das Biodiversitätsstärkungsgesetz, dieses gilt auch für den Erhalt von Lebensraum.

Klimawandel, Rückgang der Artenvielfalt und Flächenverbrauch sind in aller Munde, aber dennoch wird, anstatt nach Alternativen zu suchen, zur Reduzierung von Verkehrslärm und Abgasbelastung auf den Bau von sogenannten Umgehungsstraßen gesetzt.

Der Krieg in der Ukraine zeigt unsere Abhängigkeit von Lebensmittelimporten. Unsere Landwirte beklagen, dass Ackerflächen fehlen und ihnen durch den fortschreitenden Flächenverbrauch nach und nach ihre Lebensgrundlage entzogen wird. Einerseits durch die Versiegelung selbst und dann noch durch die Flächen, die als Ausgleichsflächen aus der Nutzung genommen werden. Unsere Ernährungssicherheit hängt in Zukunft davon ab, dass bei uns weiterhin gesunde Nahrungsmittel erzeugt werden können. Deshalb muss der Erhalt wertvoller Ackerböden oberste Priorität haben.

Was dieser zweite Bauabschnitt zudem auf keinen Fall liefern wird, ist die Reduzierung des Verkehrs. Rückstaus bei erhöhtem Verkehrsaufkommen am unteren Kreisverkehr sind vorprogrammiert.
Eine weitere nachhaltige Entlastung kann es aber nur mit einen attraktiven ÖPNV geben. Dieser muss bequem und effektiv sein und die Menschen zum Umsteigen animieren.

Ich weiß, dass ich hier im Dissens mit Winne Hermann und der Regierungspräsidentin liege, aber ich fordere ein Moratorium. Stoppen wir den Weiterbau, treten wir einen Schritt zurück und suchen Alternativen, die allen Menschen und unserer Umwelt zu Gute kommen.

Kämpfen wir mit Fridays for Future dafür, dass unsere Kinder und Enkel noch eine lebenswerte Welt haben.

Setzen wir dem Straßenbauwahn ein Ende. Denn wir haben die Welt nur von unseren Kindern geborgt.

Euer

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