Das neue Tierschutzlabel: Wirksames Instrument für eine bessere Tierhaltung oder nur weitere Verbrauchertäuschung?

170g Fleisch isst jede/r Deutsche pro Tag. Auch weltweit wächst die Nach¬frage. Deutsch¬land reagiert darauf mit steigenden Exporten, ermöglicht durch industrielle Produktionssysteme, die die bäuerliche Tierhaltung bereits vielerorts verdrängt haben. Ein neues Label des Deutschen Tierschutzbunds (DTB) soll Abhilfe schaffen. Aber nach Ausstrahlung der ARD Report-Sendung „Greenwashing durch neues Label“ schlugen die Wellen hoch. Läuft unter diesem Siegel die Fleischproduktion weiter wie gehabt?

Werden wir mit diesem Siegel getäuscht?
Reinhold Pix stellt fest: „Für die jetzige Massentierhaltung werden die Tiere mittels Qualzucht und Verstümmelungen an die Haltungssysteme und angeblichen wirtschaftlichen Notwendigkeiten angepasst. Leider hat es die Bundesregierung weder geschafft, mit gesetzlichen Mindeststandards für mehr Tierschutz in den Ställen zu sorgen noch ein Tierschutzsiegel auf den Weg zu bringen. Die Bundespolitik hält am System der tierquälerischen Haltung fest.“

Der Tierschutzbund will nicht länger warten
Da Landwirtschaftsministerin Aigner auf ganzer Linie untätig blieb, hat nun der DTB gemeinsam mit VertreterInnen aus Landwirtschaft, Verarbeitung, Wissenschaft, Kirchen und Verbrauchereinrichtungen ein zweistufiges Siegel entwickelt.

Mit diesem Label möchte der Verband der jetzigen Fehlentwicklung in Deutschlands Großmastanlagen schrittweise entgegenwirken, denn, so der DTB, „wenn die, die Tiere halten, vermarkten oder verkaufen, mit dem freiwilligen Umstieg auf mehr Tierschutz beweisen, dass es geht, dann muss auch der Gesetzgeber reagieren und die gesetzlichen Standards mindestens auf die Kriterien der Einstiegsstufe anheben.“ Jeder, der Tiere hält oder vermarktet und bisher nicht am zweistufigen Label teilnimmt, wird, so die Hoffnung des DTB, erkennen können, dass dies ein machbarer Weg ist.

Eine Brücke für die Tierhalter
Beide Labelstufen geben Kriterien zu Zucht, Haltung, Transport und Schlachtung vor. Pix: „Das sind noch längst nicht die Bedingungen, die wir GRÜNEN für unsere Nutztierhaltung anstreben. Aber wir sind damit auf dem Weg in die richtige Richtung – und das Label schlägt die Brücke für die Landwirte: raus aus der konventionellen Intensivhaltung. Momentan wird noch so manches ausgeklammert. Wenn das Siegel aber Erfolg hat, werden nach und nach mehr Kriterien und höhere Standards in die Bewertung Einzug halten.“

Auch bei GRÜNEN und Öko-Verbänden nicht unumstritten
Während die einen dies als Durchbruch feiern, kritisieren andere, so Martin Häusling, GRÜNER im EU-Parlament und teils auch die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL), dass die Tierschützer sich hier den Fleischkonzernen unterordnen würden.

Martin Häusling befürchtet einen Rückschritt: „Es ist vorauszusehen, dass die Mehrheit der Kunden zu Produkten der preiswerteren ersten, nur mit einem Stern gekennzeichneten Ware greifen wird.“

Deutliche Kritik äußert Eckehard Niemann von der AbL an zu vielen Ausnahmen, zu langen Übergangsfristen und einer zu hohen Obergrenze des Tierbestands in der Einstiegsstufe: „Erlaubt seien Ställe bis zu 3.000 Schweinen – während bei der Novellierung des BundesBauGesetzbuchs eine Obergrenze schon bei 1.500 Mastplätzen debattiert werde.“

Es fehle in dieser Phase, so Reinhold Pix, noch am ganzheitlichen Ansatz: „Der Deutsche Tierschutzbund sollte bei der zukünftigen Weiterentwicklung des Labels verstärkt auf Gentechnikfreiheit, regionale Futterproduktion und lokale Metzger setzen.“

Fazit
Pix: „In Stall, Transport und Schlachtung bedeutet das Label ein deutliches Plus für den Tierschutz im Vergleich zum gesetzlichen Standard. Entscheidend ist, dass VerbraucherInnen nun über ihre Nachfrage für den Erfolg des Labens sorgen, damit sich auch für Unternehmen der Schritt rechnet. Und letztlich wird über das Einkaufsverhalten auch der Druck auf die Bundesregierung und Ministerin Aigner verstärkt.“

Weiterführende Links

Deutscher Tierschutzbund http://www.tierschutzlabel.info/verbraucher/ und
http://www.tierschutzlabel.info/verbraucher/stellungnahme-report-mainz-bericht/

ARD-Report Mainz „Greenwashing durch neues Label“

Martin Häusling MdEP

Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft
wie-die-agrarindustrie-versucht-sich-reinzuwaschen-report-mainz-swr-vom-05-02-2013
und
ABL-EV
Stiftung Warentest, Tierschutzlogos im Vergleich

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