Bauern brauchen verlässliche Politik

Badische Zeitung vom 7.2.11

BLHV-Podiumsdiskussion mit den Hochschwarzwälder Landtagsabgeordneten in Neustadt findet großes Interesse.
HOCHSCHWARZWALD. Solidarisch, verlässlich und zukunftsorientiert, so muss Agrarpolitik sein. In dieser Aussage stimmen die Landtagsabgeordneten von CDU (Klaus Schüle), SPD (Walter Krögner) und Bündnis90/Die Grünen (Reinhold Pix) bei einer Podiumsdiskussion zum Thema „Politik der Zukunft für unsere Landwirtschaft im Hochschwarzwald, der Baar und dem Dreisamtal“ zumindest überein. Im Rahmen der Kreisversammlung des Badischen Landwirtschaftlichen Hauptverbandes (BLHV) moderierte der Leiter der Landvolkshochschule in St. Ulrich, Bernhard Nägele, den Meinungsaustausch im nahezu voll besetzten Saal des Neustädter Hofes.
„Die Landwirtschaft muss Bündnisse suchen“ sagte Walter Krögner. Jeder müsse von seiner guten Arbeit leben, doch die Struktur habe sich geändert, zusätzliche Einkommensquellen gelte es zu erschließen. „Die Zeiten sind vorbei, dass Landwirte ausschließlich Lebensmittel produzieren und die Landschaft pflegen“, weist er auf den Ausbau der landwirtschaftlichen Produktpalette durch Tourismus, Energie, Wald oder auch Standorte für Windkraft hin. Der Weg zu den Bioenergiedörfern könne zusätzliches Einkommen bringen. Abseits der Ballungsräume müsse es eine bedarfsgerechte infrastrukturelle Versorgung und eine zukunftsorientierte Wirtschaftsstruktur geben, damit die Menschen auch auf dem Lande gut und gerne leben. Die Menschen hätten ein Recht auf vernünftige, naturbelassene und gesunde Nahrungsmittel, die sich auch entsprechend vermarkten ließen. „Gentechnisch veränderte Organismen haben in unserer Region nichts zu suchen“ unterstreicht Krögner. Die Verteilung von Geldern nach dem „Gießkannenprinzip“ müsse aufhören, es könne nicht sein, dass Millionenbeträge an große Agrarbetriebe für eine nicht nachhaltige Wirtschaftsweise verteilt werden. Krögner: „Die bäuerliche Landwirtschaft und nicht die Großbetriebe sind die Zukunft“.

Nachhaltigkeit und Regionalität sehen anders aus

Ähnlich sieht es auch Reinhold Pix, der im „Hardcore-Ausschuss“, wie er den Landwirtschaftsausschuss bezeichnete, gegen Windmühlen anrenne. Im gentechnikfreien, ökologischen Landbau sei Baden-Württemberg Schlusslicht. Die Förderung der Umstellung auf Ökolandbau müsse dringend weitergeführt werden. Der bereits beschlossene Förderstopp des Umweltprogramms Meka habe Landwirtschaftsminister Köberle zwar erst durch massiven Druck geändert, doch könnten Umsteller jetzt nur noch in den kommenden drei Jahren ins Programm aufgenommen werden. „Seit dem Dioxin-Skandal wissen alle, dass wir am gleichen Trog sitzen“, wies Pix auf den Import von Soja aus Südamerika hin, wo Millionen von Hektar, größtenteils genmanipulierter, Soja angebaut werde, der in den hiesigen Futtertrögen lande. Nachhaltigkeit und Regionalität sähen anders aus und hätten mit Turbokühen und Agrarfabriken nichts zu tun. Es könne nicht sein, dass Milch immer mehr zu Dumpingpreisen verschleudert werde. Die Landwirte bräuchten einen fairen Milchpreis und auch ein Milchregulierungssystem. Um die Hofnachfolge zu sichern, brauche es Zuverlässigkeit bei den Förderungen. Die Ausgleichszulage müsse erhalten bleiben. Bauen im Außenbereich müsse möglich sein, denn Ferienwohnungen bildeten einen Teil des Dreiklangs „Landwirtschaft, Naturschutz und Tourismus“, der dem Schwarzwald sein Aussehen verleiht.
Berechenbarkeit statt grüne Experimente

„Geschlossenheit ist das Gebot der Stunde“, wies Klaus Schüle auf die vielen Interessen in der EU hin. Entscheidend sei, wie viel von den 56 Milliarden Euro Agrarförderung nach der Osterweiterung bei den deutschen Bauern ankomme. Die Direktzahlungen aus der ersten Säule müsse es auch in Zukunft geben, von einer weiteren Ökologisierung hält er nichts, da Deutschland diesbezüglich schon Vorbild sei. Sowohl konventionelle als auch biologische Betriebe hätten ihre Berechtigung. Unbedingt erhalten bleiben müsse auch die zweite Säule (darin befinden sich Maßnahmen wie Investitionsförderung und Ausgleichszulage). Eine Umverteilung in die erste Säule – wie Pix fordert – würde nicht nur durch den Wegfall der Kofinanzierung durch das Land, sondern auch durch die Verteilung auf alle Länder mit finanziellen Einbußen einhergehen. Um die Landwirtschaft zu erhalten, seien keine „grünen Experimente“, sondern Kontinuität und Berechenbarkeit wichtig, genauso wichtig seien Lebensmittel- und Ernährungssicherheit. Für die Verlängerung des Anbaustopps für Wein auch über 2015 will man sich nach Aussagen von Schüle einsetzen. Doch mit EU-Mitteln den Weinanbau in Steillagen aufzubauen, sei nicht realistisch, gab er auf entsprechende Frage von Karl Rombach zu verstehen.

Die Einwohnerverluste und die damit verbundenen Nachteile beim kommunalen Finanzausgleich sprach Bürgermeister Josef Waldvogel (St. Märgen) an. Zu überlegen sei die Einführung einer flächenbezogenen Bedarfsmesszahl. Beim Finanzausgleich ist nach Aussage von Krögner noch keine Position in der Diskussion. Klaus Schüle sieht für die Flächenberücksichtigung wenig Realisierungschancen, da beim Finanzausgleich viele Aspekte zu berücksichtigen seien. Die Entwicklung und Grundversorgung des ländlichen Raumes ist nach Ansicht von Bürgermeister Norbert Brugger (Löffingen) eine große Herausforderung für die Zukunft. Vor allem brauche es eine kleinräumige Bedarfsplanung für die Ärzteversorgung. Die Schulversorgung sei ein wichtiger Aspekt, dass die Leute auf dem Land bleiben. Aber auch Arbeitsplätze, Nahverkehr und Grundversorgung beinhalte eine zukunftsgewandte Politik für den ländlichen Raum. Kontinuität bei der Agrarförderung, Milchberatungsprogramm, Breitbandförderung, Flurneuordnung oder ELR-Programm nannte Schüle als Maßnahmen, die zur Attraktivität im ländlichen Raum beitragen.
Erleichterungen für das Bauen im Außenbereich

Beim Bauen im Außenbereich werden nach Ansicht von Doris van Teeffelen-Klüttermann den Landwirten zu viele Steine in den Weg gelegt. Hier müssten unbedingt Erleichterungen her. Dies wurde von Landwirt Valentin Fiedler unterstrichen. Landwirt Herbert Wiggert bemängelte, dass es immer noch kein Umweltprogramm für Kleegras gibt. Aus fachlicher Sicht sollte die Fruchtfolge unbedingt Kleegras enthalten, das sich durch seine hohe Wasseraufnahme auszeichne und in der Lage sei, vernässte Flächen zu sanieren.

„Das Dioxin wirft uns um Jahre zurück“ ärgerte sich ein Landwirt, der nach der künftigen Strategie fragte. Die Reduzierung von Lebensmittelkontrollen macht Krögner ein Stück verantwortlich, der sich für einen Personalstand bei der Lebensmittelüberwachung wie vor der Verwaltungsreform einsetzt. Der Skandal zeige, dass man keine Agrarfabriken, sondern überschaubare Bauernhöfe brauche, sagte Pix. „Nicht die Bauern, sondern die Futtermittelbetriebe müssen kontrolliert werden“, gab BLHV-Geschäftsführer Elmar Kasper zu verstehen. Die weitere Ökologisierung verbindet er mit einem noch höheren bürokratischen Aufwand und zunehmender Gängelei, die man den Landwirten nicht zumuten könne.

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