Offener Brief an SWR-Chef Peter Boudgoust

© Paul-Georg Meister/pixelio.de

Sehr geehrter Herr Boudgoust,

Ich bedanke mich für Ihr Schreiben vom 20. März, das Sie mir als Antwort auf meine Unterzeichnung der Erklärung zum Erhalt des SWR Sinfonie-Orchesters Baden-Baden und Freiburg gesandt haben und möchte Ihnen mit einem öffentlichen Brief antworten.

Sie sind gerade dabei, ein Orchester von internationaler Bedeutung unter dem Etikett „Orchesterfusion“ abzuwickeln und da schreiben Sie mir freundlich: „Unsere Klangkörper brauchen Unterstützung. Auch Ihre!“ Mit dem Plural „Klangkörper“ meinen Sie bestimmt zu allererst Ihr singuläres „Super Plus Orchester“, das die Münchener Beraterfirma Metrum entworfen hat und für das noch nach einem namhaften Befürworter aus der Fachwelt gesucht wird.

Nein, für Ihr Fusionsexperiment bekommen Sie von mir keine Unterstützung. Ich unterstütze zusammen mit zehntausenden Menschen in diesem Land die Anstrengungen, das SWR-Sinfonieorchester Baden-Baden und Freiburg zu erhalten.

Sie werden nicht müde, die Sparzwänge, unter denen der SWR steht ins Feld zu führen und schreiben: „Wenn sich die Rahmenbedingungen (für den SWR) verändert haben, dann jedenfalls nicht zum Besseren.“

Sehr geehrter Herr Boudgoust,  ich lasse an dieser Stelle einmal die vielzitierten Mehreinnahmen aus den Rundfunkbeiträgen beiseite, die ja nach der beschlossenen Senkung der  Beiträge allein für den SWR einen Betrag von  gut 100 Millionen Euro ausmachen dürften und erinnere Sie daran, dass Sie die Orchesterfusion aus dem düsteren  Szenario eines  Defizits von 166 Mio. € infolge der Gebührenumstellung heraus entwickelt haben.

Das Gegenteil Ihrer Berechnungen ist eingetreten und ich würde Sie daher bitten, der Öffentlichkeit zu erklären, warum Sie immer noch an einer Sparstrategie festhalten, die schlichtweg auf einer falschen Prognose beruht. Ich jedenfalls sehe in einem Defizit von 3% für den SWR keinen Grund, 25% bei der Kultur einzusparen und verweise auf  die Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten, die meinen Informationen nach seit geraumer Zeit ein erhebliches Sparpotential in der Verwaltungsstruktur des SWR ausgemacht hat. Wäre das nicht eines großen Intendanten würdig, erst einmal die Verwaltung (weiter) zu verschlanken, bevor die kulturelle Substanz angegriffen wird? Die geplante „Orchesterfusion“ scheint mir jedenfalls, selbst unter rein finanziellen Aspekten, nicht der Weisheit letzter Schluss zu sein.

Sie berufen sich auf die Unabhängigkeit des Rundfunks und verlieren kein Wort darüber, dass der ehemalige Verwaltungsdirektor Viktor v. Oertzen am 29. Juni 2012 offensichtlich politischen Druck auf den Sender an die Rundfunkräte weitergegeben hat:  „Der Vorsitzende der Rundfunkkommission, der Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz“, so der Protokollant, „habe noch im Januar gefordert, die Zahl der Rundfunkorchester zu reduzieren. Auch andere Politiker verlangten Ähnliches. Reagiere der SWR auf solche Aussagen nicht, sehe die Politik wohl keinen Anlass, den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten zusätzliche Finanzmittel zur Verfügung zu stellen.“ (Badische Zeitung vom 12. März 2012)

Ich bitte Sie, dieses Zitat aus dem Protokoll der Sitzung des Rundfunkrates, gerade in Hinsicht auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes vom 25. März 2014 zur Causa ZDF einmal zu kommentieren. Um Missverständnissen vorzubeugen: Dieser Brief dient nicht der parteipolitischen Einflussnahme auf den SWR und Sie hatten ja bereits bei der Übergabe von über 30 000 Unterschriften den Beweis in Händen, dass der Erhalt des SWR-Sinfonieorchesters quer durch alle Parteien und die Bevölkerung Befürworter hat.

Der SWR ist de jure eine gemeinnützige rechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts. Selbstverständlich steht dem SWR das Recht der Selbstverwaltung zu. Dieses Recht ist allerdings rückgebunden an das Gemeinwohl. So ist der SWR nach dem neuen Staatsvertrag insbesondere der Kultur verpflichtet; der Rundfunkrat hat in erster Linie die Interessen der Allgemeinheit zu vertreten. Im parlamentarischen Raum gibt es ähnliche Vorgaben. Daher hat die Politik immer auch auf die Akzeptanz ihrer Entscheidungen zu achten; die aktuelle Diskussion um das neue Landesjagdgesetz belegt dies. Warum meint der SWR, auf die Akzeptanz seiner Entscheidungen durch die Öffentlichkeit (und große Teile der Politik) sowie durch echte Fachleute (z. B. Dirigenten, Komponisten) verzichten zu können? Wäre es nicht an der Zeit, das ohnehin lädierte Image des SWR nicht weiter durch ein Festhalten an einer in der Sache inakzeptablen „Fusionsentscheidung“ zu strapazieren?

Nachdem das 2012 beschworene „Katastrophenszenario“ nicht eingetreten ist, ist es an der Zeit, ein Moratorium auszurufen, damit in Ruhe nach Lösungen zum Erhalt des SWR-Sinfonierochesters gesucht werden kann.

Mit freundlichen Grüßen

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